In der Praxis kommt es verhältnismäßig selten vor, dass der BGH den Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren abweichend von dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert festsetzt. Nachfolgend soll daher auf die Besonderheiten dieser beiden Wertfestsetzungsarten eingegangen werden.
Streitwertfestsetzung
Die Entscheidung des BGH v. 25.3.2020 ist zutreffend. Liegt eine Streitwertfestsetzung für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 62 GKG – wie hier – nicht vor, die auch für die Berechnung der Gerichtsgebühren maßgebend wäre, setzt das Gericht den Streitwert mit Einreichen der Rechtsmittelschrift gem. § 63 Abs. 1 S. 1 GKG vorläufig fest. Da der BGH hier die Nichtzulassungsbeschwerde der Bekl. zurückgewiesen hat, hat er von Amts wegen den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert zusammen mit seiner Sachentscheidung gleich endgültig festgesetzt.
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Maßgeblich waren hier die Vorschriften des § 47 Abs. 3 GKG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG, wonach sich der Streitwert im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nach den Anträgen des Beschwerdeführers bestimmt. Demgegenüber kam es hier nicht auf die Beschwer der Bekl. an (§ 47 Abs. 1 S. 2 GKG), bei der die Aberkennung der Hilfsaufrechnung der Bekl. durch das BG mit zu berücksichtigen wäre. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde von den Bekl. nicht weiter verfolgt oder (insgesamt) zurückgenommen worden wäre. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde hingegen – wie es hier der Fall war – nachträglich beschränkt, kommt es für die Bemessung des Streitwertes nur auf die Anträge des Beschwerdeführers an, die hier die Hilfsaufrechnung nicht mehr betroffen haben. Dies hat seine Rechtfertigung darin, dass der Rechtsmittelführer keine Gebührennachteile dadurch erleiden soll, dass er die ihm durch die Begründungsfrist eingeräumte Überlegungsfrist ausnutzt (so BGH RVGreport 2018, 150 (Hansens) = AGS 2018, 60).
Berufungsverfahren
Anders ist dies übrigens beim Streitwert für das Berufungsverfahren. Hier sind die hilfsweise erklärten Aufrechnungen der Bekl. zu berücksichtigen. Da die Bekl. die Aufrechnung mit ihren beiden Zahlungsansprüchen über 300.000 EUR für Investitionen und weitere 8.593,91 EUR wegen Kostenerstattung naturgemäß nur gegenüber dem Zahlungsanspruch der Kl. auf Zahlung von Miete bzw. Nutzungsentschädigung erheben konnten, erhöht sich der Streitwert in Folge der hilfsweisen Aufrechnung gemäß § 45 Abs. 3 GKG nur um den Wert der die Zahlungsansprüche des Kl. betreffenden Gegenforderung. Insoweit war hier durch Aberkennung der Hilfsaufrechnungen seitens des OLG Frankfurt eine rechtskraftfähige Entscheidung ergangen. Auf den Umstand, dass die Bekl. zulässigerweise im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ihre Hilfsaufrechnung wieder zurückgenommen hatten, kommt es für die Bemessung des Streitwertes im Berufungsverfahren nicht an. Da die Bekl. die hilfsweise Aufrechnung mit zwei Gegenforderungen erklärt hatte, die das BG hier aberkannt hatte, ist der Wert jeder Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung zu berücksichtigen (BGH BGHZ 73, 248 = NJW 1979, 927; Schneider/Herget/Kurpat, Streitwertkommentar, 14. Aufl. Rn 1323).
Damit bemisst sich der Streitwert für das Berufungsverfahren wie folgt:
Räumungsanspruch |
43.697,00 EUR |
Zahlung Miete/Nutzungsentschädigung |
137.088,00 EUR |
Hilfsaufrechnung Investitionen |
137.088,00 EUR |
Hilfsaufrechnung Kostenerstattung |
+8.593,91 EUR |
Summe: |
326.466,91 EUR. |
Gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes
Zulässigkeit
Grundsätzlich ist gem. § 32 Abs. 1 RVG die gerichtliche Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wertes (Streitwert) auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgebend. Nur in den in § 33 Abs. 1 RVG geregelten Fällen kommt auf Antrag eines der in § 33 Abs. 2 S. 1 RVG aufgeführten Antragsberechtigten (das sind der Rechtsanwalt, sein Auftraggeber, der erstattungspflichtige Gegner und – im Falle der Beiordnung des Rechtsanwalts im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe – die Staatskasse) die gesonderte Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren in Betracht:
Es fehlt an einem Streitwert. Diese Fallgestaltung lag hier nicht vor, da der BGH hier den Streitwert zutreffend nach § 47 Abs. 3 und Abs. 1 S. 1 GKG bestimmt hat.
Die Anwaltsgebühren für die Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren berechnen sich nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Streitwert. Diese Fallgestaltung ist einmal dann gegeben, wenn für die Anwaltsgebühren besondere Wertvorschriften bestehen, etwa nach den §§ 28 Abs. 1, 31b oder 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG. Oder es bestehen zwar identische Wertvorschriften, der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit deckt sich nicht mit dem der anwaltlichen Tätigkeit. Dies kann etwa dann gegeben sein, wenn der RA nur einen von mehreren Beteiligten vertritt (s. BGH NJW 1968, 2334 = JurBüro 1969, 45), was insbesondere im Erbscheinsverfahren häufig vorkommen kann (s. BayObLG JurBüro 1992, 166). Ferner liegt ein d...