GKG § 45 Abs. 3 § 47 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3; RVG § 33 Abs. 1
Leitsatz
1. Hat das Berufungsgericht die von den Beklagten erhobene Hilfsaufrechnung als nicht durchgreifend behandelt und haben die Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil Beschwerde eingelegt, jedoch schon mit der Begründung dieser Beschwerde die Rücknahme der Hilfsaufrechnung erklärt, führt dies dazu, dass die Hilfsaufrechnung für den Streitwert im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu berücksichtigen ist.
2. Hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nach seinem Vortrag auch die zur Hilfsaufrechnung gestellten Ansprüche geprüft, kann auf seinen Antrag hin der Gegenstandswert hiervon abweichend festgesetzt werden. In diesem Fall erhöht sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach Maßgabe des § 45 Abs. 3 GKG um den Wert der Gegenforderung.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 25.3.2020 u. Beschl. v. 22.7.2020 – XII ZR 29/19
Sachverhalt
Das OLG Frankfurt/Main hatte die Bekl. antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe von Geschäftsräumen (Streitwert insoweit 43.697 EUR) und zur Zahlung von Miete bzw. Nutzungsentschädigung i.H.v. 137.088 EUR verurteilt. Die von den Bekl. erklärten Hilfsaufrechnungen i.H.v. 300.000 EUR für Investitionen und weiteren 8.593,91 EUR auf Kostenerstattung hat das OLG für unbegründet erachtet. Gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil des OLG Frankfurt haben die Bekl. fristgerecht Beschwerde gem. § 544 Abs. 1 ZPO eingelegt. Mit der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde haben sie ihre Hilfsaufrechnung zurückgenommen. Der BGH hat durch Beschl. v. 25.3.2020 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und den Streitwert auf 180.785 EUR festgesetzt und in demselben Verfahren durch seinen weiteren Beschl. v. 22.7.2020 den für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswert auf 326.467 EUR festgesetzt.
2 Aus den Gründen:
[Beschluss v. 25.3.2020]
"…"
[2] (…) 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rspr. eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird insoweit gem. § 544 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 ZPO abgesehen.
[3] 3. Bei der Wertbemessung ist die Rücknahme der Hilfsaufrechnung zu berücksichtigen.
[4] Nach der Rspr. des BGH ist der Aufrechnende nicht gehindert, eine einmal erklärte Hilfsaufrechnung frei zurückzunehmen. Denn sie wird nur für den Fall erklärt, dass das Gericht die Klagforderung in seiner abschließenden Entscheidung für begründet erachtet (vgl. Senatsurt. BGHZ 179, 1, 5 = FamRZ 2009, 401 Rn 12 m.w.N.). Eine Prozesserklärung ist – mangels abweichender Regelung wie etwa in § 269 Abs. 1 ZPO – nach der Dispositionsmaxime frei rücknehmbar, wenn sie noch keine unmittelbar prozessgestaltende Wirkung hatte, die angestrebte gerichtliche Entscheidung noch nicht ergangen ist und durch sie auch keine geschützte Position der Gegenseite entstanden ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98 – NJW 2002, 442 – zum Widerruf einer einseitigen Erledigungserklärung in der Revisionsinstanz; BGH, Urt. v. 27.2.2015 – V ZR 128/14 – NJW 2015, 2425 Rn 28 m.w.N. – zum Widerruf der Prozessführungsermächtigung). Das gilt auch für die Hilfsaufrechnung, wenn – wie hier – die Hauptforderung noch nicht rechtskräftig zuerkannt wurde. Sie hat keine unmittelbar prozessgestaltende Wirkung und kann bis zur Rechtskraft der abschließenden Entscheidung zurückgenommen werden. Dies ist eine Folge des Umstands, dass die im Prozess erklärte Aufrechnung ein Verteidigungsmittel ist, das auch in seiner sachlich-rechtlichen Wirkung davon abhängig ist, dass die prozessuale Geltendmachung der Aufrechnung wirksam wird (BGH Urt. v. 11.10.1990 – I ZR 32/89 – NJW-RR 1991, 156, 157). Eine Rücknahme der Hilfsaufrechnung ist unter diesen Voraussetzungen auch im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zulässig, weil gem. § 544 Abs. 7 S. 1 ZPO die Rechtskraft des Berufungsurteils gehemmt wird. Eine analoge Anwendung des § 269 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 555 ZPO) ist nicht geboten (vgl. BGHZ 57, 242, 243 f. = NJW 1972, 450).
[5] (…) Die schon mit Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde erklärte Rücknahme der Hilfsaufrechnung führt dazu, dass die Hilfsaufrechnung für den gerichtlichen Streitwert im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 47 Abs. 3, Abs. 1 S. 1 GKG nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BGH Urt. v. 14.12.2017 – IX ZR 243/16 – RVGreport 2018, 250 (Hansens) = NJW-RR 2018, 700 Rn 23 und BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZR 204/11 – zfs 2013, 706 m. Anm. Hansens = RVGreport 2013, 706 (Ders.) = AGS 2013,524).“
[Beschluss vom 22.7.2020]
"…"
[1] Die Bekl. zu 1, 2, 4 und 5 sind vom OLG zur Räumung und Herausgabe mit einem Streitwert von 43.697 EUR und zur Zahlung von 137.088 EUR nebst Zinsen verurteilt worden. Der Senat hat die unmittelbar gegen diese Ansprüche gerichtete Nichtzulassun...