"… II. Anders als das BG meint, endet die nach Ziff. 2.5 AUB 2008 für den Anspruch auf Tagegeld maßgebliche ärztliche Behandlung nicht stets mit der letzten Vorstellung beim Arzt. Sie umfasst vielmehr regelmäßig die Dauer der von dem Arzt angeordneten Behandlungsmaßnahmen. Das ergibt die Auslegung der Klausel."
1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. (…)
2. a) Bei der Beurteilung der Frage, ob der Anspruch auf Tagegeld mit dem letzten Arztbesuch endet oder ob er die Dauer einer vom Arzt verordneten Medikamenteneinnahme oder Therapie umfasst, wird sich der VN zunächst am Wortlaut von Ziff. 2.5 AUB 2008 orientieren. Er wird erkennen, dass die Klausel nicht auf den (letzten) Arztbesuch abstellt, sondern auf die Dauer der ärztlichen Behandlung (Ziff. 2.5.2 AUB 2008). Das wird er dahingehend verstehen, dass es zwar in erster Linie auf das Handeln des Arztes ankommt, dass aber im Regelfall auch etwaige von dem Arzt angeordnete Behandlungsmaßnahmen, wie die Einnahme eines verschriebenen Medikaments oder die Durchführung einer verordneten Therapie, einzubeziehen sind. Ein durchschnittlicher VN wird die Dauer solcher von der ärztlichen Fürsorge und Verantwortung umfasster Behandlungsmaßnahmen regelmäßig als Teil der ärztlichen Behandlung ansehen, und zwar unabhängig davon ob sie möglicherweise nach dem letzten Arztbesuch erfolgen, ob Dritte bei ihrer Durchführung tätig werden und inwieweit der Arzt Maßnahmen selbst spezifiziert oder ihre konkrete Ausgestaltung einem Dritten überlassen hat (wie im Streitfall durch die Verordnung von “10 x Krankengymnastik'). Dagegen wird es der VN als von Zufällen des Einzelfalls abhängig und deshalb unerheblich ansehen, ob nach der Einnahme des verschriebenen Medikaments oder nach Durchführung der verordneten Therapie ein weiterer Arztbesuch zur Erfolgskontrolle stattfindet, bei dem der Arzt den Versicherten ausdrücklich aus seiner Fürsorge entlässt, oder ob die verordnete Behandlung ohne einen solchen Kontrollbesuch endet.
b) Der für ihn erkennbare Zweck des Tagegeldes stützt den VN bei diesem Verständnis. Nach Ziff. 2.5.1 AUB 2008 ist Tagegeld zu zahlen, wenn die versicherte Person unfallbedingt in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt und in ärztlicher Behandlung ist. Dem wird der VN entnehmen, dass das Tagegeld unfallbedingt erlittene Einkommensverluste ausgleichen soll (vgl. Grimm, Unfallversicherung 5. Aufl. AUB 2010 Ziffer 2 Rn 58; Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 47 Rn 204). Sind nach dem ärztlichen Behandlungsplan Medikamente einzunehmen oder Therapien durchzuführen, wird der VN diese Maßnahmen regelmäßig als der Wiederherstellung oder Besserung der Arbeitsfähigkeit dienlich und daher vom Zweck des Tagegeldes umfasst ansehen.
c) Ein davon abweichendes Verständnis wird der VN auch nicht nach dem Sinnzusammenhang der Klausel in Erwägung ziehen. Er wird erkennen, dass er nach Ziff. 7.1 AUB 2008 Anordnungen des behandelnden Arztes zu befolgen hat und dass nach Ziff. 8 AUB 2008 anderenfalls der Versicherungsschutz entfallen oder die Versicherungsleistung gekürzt werden können. Zu solchen Anordnungen wird der durchschnittliche VN auch Verordnungen des behandelnden Arztes zählen, die er nach dem letzten Arztbesuch befolgen soll. Das wird ihn darin bestärken, diese Maßnahmen regelmäßig der ärztlichen Behandlung im Sinne von Ziff. 2.5 AUB 2008 zuzurechnen (vgl. Grimm, Unfallversicherung 5. Aufl. AUB 2010 Ziff. 2 Rn 60).
d) Diese Auslegung entspricht der in der Rspr. und im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung, die auf den Abschluss der ärztlichen Therapie abstellt und hierzu die Dauer einer vom Arzt verordneten Medikation oder therapeutischen Maßnahme zählt (vgl. – teilweise zu anderen Klauselfassungen – LG Frankfurt/Main r+s 1999, 168; AG Hameln r+s 1996, 379; AG Köln VersR 1995, 950; wohl auch OLG Düsseldorf VersR 1997, 1387 unter I 1; OLG Frankfurt r+s 1993, 234, … , ebenso Hugemann in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht 2. Aufl. VII. 3. Unfallversicherung Rn 54; Jacob, Unfallversicherung AUB 2014 2. Aufl. Ziff. 2.4 Rn 8; …).
Nach der Gegenauffassung, der sich das BG angeschlossen hat, endet eine ärztliche Behandlung stets mit dem letzten Arztbesuch (Günther, VersR 1995, 950; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Ziff. 2.3 AUB 2008 Rn 20). Das überzeugt nach dem oben Gesagten nicht. Entgegen der Auffassung des BG und der Revisionserwiderung erfordern weder Zwänge eines alltäglichen Massengeschäfts – denen VR auch in anderen Versicherungssparten ausgesetzt sind – noch etwaige Missbrauchsmöglichkeiten durch eigenmächtige Verzögerung des Behandlungsendes ein solches Verständnis. Das folgt schon daraus, dass sich die Bedeutung dieser Gesichtspunkte einem durchschnittlichen VN, auf dessen Sicht es bei der Auslegung AVBen allein ankommt...