Der Bundesgerichtshof geht in mehr als 40-jähriger ständiger Rechtsprechung von der Zulässigkeit der Feststellungsklage bei einem sich entwickelnden Schaden aus. Er hat in seinen Entscheidungen zunehmend Gründe der Praktikabilität ins Feld geführt und hiermit einmal mehr den Anwendungsbereich der Feststellungsklage erweitert, wenn auf Passivseite eine Versicherung bzw. eine Behörde beteiligt ist. Dies mit dem Hinweis, dass es hier keiner weiteren Vollstreckungsakte bedarf, weil die in Anspruch Genommenen das Feststellungsurteil umsetzen. Damit hat der Bundesgerichtshof aber einmal mehr die Geschädigteninteressen in den Vordergrund gestellt. Dies korrespondiert mit dem Interesse des Unfallgeschädigten an alsbaldiger Feststellung, ob der Unfallgegner ihm zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist oder nicht. Voraussetzung ist allein, dass ein Interesse an alsbaldiger Feststellung besteht. Das Interesse an alsbaldiger Feststellung besteht aber immer dann, wenn eine aktuelle Gefährdung zu besorgen ist und daher bereits jetzt ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klärung der Rechtslage besteht. Eine solche Untersicherheit besteht regelmäßig dann, wenn der in Anspruch genommene Versicherer die ihm abverlangte titelersetzende Erklärung nicht oder nicht vollumfänglich abgibt. Wenn sich dann – wie regelmäßig – der Schaden noch in der Entwicklung befindet und weitere Schäden zu erwarten sind, dann gewährt dies dem Geschädigten das besondere Feststellungsinteresse, welches ihn in die Lage versetzt, positive Feststellungsklage zu erheben. Dies mit dem angenehmen Begleiteffekt, dass der im Feststellungsurteil zugrunde gelegte Sachverhalt, insbesondere der Grund des Anspruchs in Rechtskraft erwächst. Es wird mithin zeitnah nach einem Schadenereignis eine Klarheit zum Haftungsgrund herbeigeführt zu einem Zeitpunkt, zu dem die notwendigen Beweismittel (noch) zur Verfügung stehen. Die Rechtskraft des Feststellungsurteils lässt dann für spätere Einwendungen zum Mitverschulden bzw. zur Mithaftung aus der Betriebsgefahr keinen Raum. Durch die Feststellungsklage werden mithin die Ansprüche des Geschädigten optimal abgesichert. Da die Rechtskraft des Feststellungsurteils dem Grunde nach auch alle Ansprüche des Geschädigten gegen Verjährung schützt, ist der tätige Rechtsanwalt auch im Eigeninteresse gut beraten, zur Begrenzung seiner Haftung entsprechende Feststellungsurteile herbeizuführen, wenn denn die abgeforderte titelersetzende Erklärung nicht abgegeben wird.
Autor: Rechtsanwalt Rolf-Helmut Becker, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, Bergneustadt
zfs 1/2022, S. 4 - 11