VGB 2008 Teil A § 3 Nr. 3
Leitsatz
Der Wohngebäude-VR hat nicht für Nässeschäden aufgrund einer undichten Fuge zwischen einer Duschwanne und einer angrenzenden Wand einzustehen (Teil A § 3 Nr. 3 VGB 2008).
BGH, Urt. v. 20.10.2021 – IV ZR 236/20
Sachverhalt
Der Kl. nimmt den beklagten VR auf Versicherungsleistungen wegen eines Wasserschadens in Anspruch. Er unterhält als Miteigentümer eines Wohngebäudes mit den weiteren Miteigentümern bei der Bekl. eine Wohngebäudeversicherung, der VGB 2008 zugrunde liegen. Dort heißt es:
"§ 3 Leitungswasser"
1. Bruchschäden …
3. Nässeschäden
Der VR leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen.
Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung, aus Klima-, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen, aus Wasserlösch- und Berieselungsanlagen sowie aus Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein …“
In dem versicherten Gebäude kam es aufgrund der Undichtigkeit einer Silikonfuge im Duschbereich einer Wohnung zu einem Wasserschaden.
2 Aus den Gründen:
"…"
[9] III. … Die Bekl. hat nicht für Schäden aufgrund der undichten Fuge einzustehen. Das ergibt die Auslegung von Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008.
[10] 1. All VB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (Senat, VersR 2021, 21 Rn 8; st. Rspr.).
[11] 2. a) Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um ein versichertes Ereignis handelt, wenn Wasser durch eine undichte Fuge zwischen einer Duschwanne und einer angrenzenden Wand gelangt, wird ein VN Teil A § 3 VGB 2008 mit der Überschrift "Leitungswasser" finden, der unter Nr. 1 und 2 Näheres zu "Bruchschäden" und unter Nr. 3 zu "Nässeschäden" bestimmt. Da der VN eine undichte Fuge nicht als Bruchschaden einordnet, wird er seine Aufmerksamkeit auf Teil A § 3 Nr. 3 VGB 2008 richten.
[12] b) Nach Teil A § 3 Nr. 3 Satz 1 VGB 2008 leistet der VR Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen. Gemäß Satz 2 der Klausel muss das Leitungswasser aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung, aus Klima-, Wärmepumpen oder Solarheizungsanlagen, aus Wasserlösch- und Berieselungsanlagen sowie aus Wasserbetten und Aquarien ausgetreten sein. Ein VN wird sich an diesem Wortlaut orientieren und feststellen, dass bei einer undichten Fuge Wasser nicht aus Rohren der Wasserversorgung oder damit verbundenen Schläuchen ausgetreten ist. In Betracht wird er dagegen die Alternative ziehen, dass Wasser aus "den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen" ausgetreten ist, zumal er die im Anschluss hieran aufgeführten weiteren Alternativen für nicht einschlägig halten wird.
[13] c) Der VN wird sich fragen, ob im Fall einer undichten Fuge zwischen einer Duschwanne und einer angrenzenden Wand Wasser aus "den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen" ausgetreten ist. Er wird annehmen, dass eine Einrichtung eine (technische) Vorrichtung oder Anlage ist (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Band 3 Stichwort Einrichtung), wobei er dem Wortlaut von Teil A § 3 Nr. 3 Satz 2 VGB 2008 entnehmen wird, dass die Vorrichtung mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) verbunden sein muss. Diese Voraussetzung wird er hinsichtlich einer undichten Fuge, die keine Verbindung mit dem Rohrsystem aufweist, verneinen (vgl. – zu unterschiedlichen Klauselfassungen – OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19559; LG München I NJOZ 2018, 231 … Rixecker, zfs 2017, 223).
[14] d) Anhaltspunkte dafür, die Duschwanne, die Fugen, die angrenzenden Wände und die sonstigen Bauteile einer Dusche als einheitliche Einrichtung anzusehen, die über den Zulauf (Duschkopf) und Ablauf (Abwasserleitung) mit dem Rohrsystem verbunden ist, wird der VN der Klausel entgegen der Auffassung des BG und der Revisionserwiderung nicht entnehmen können (ebenso i. Erg. – zu unterschiedlichen Klauselfassungen – LG München I NJOZ 2018, 231 Rn 24 … ; Rixecker, zfs 2017, 223). Eine Einbeziehung der Dusche als Sachgesamtheit, wie sie von der Gegenauffassung mit Blick ...