[…] II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die von Amts wegen im Freibeweisverfahren veranlasste Prüfung ergibt, dass kein Verfahrenshindernis besteht.
1. Die Teilrücknahme des Bußgeldbescheides hinsichtlich des Vorwurfes des Gelblichtverstoßes ist wirksam und das Gericht war nicht gehindert, den Betroffenen wegen des weiteren Vorwurfes auf der Grundlage des Bußgeldbescheides zu verurteilen. Denn die beiden ihm zur Last gelegten bußgeldbewehrten Handlungen stehen – so das Amtsgericht zutreffend – in Verhältnis der Tatmehrheit (§ 20 OWiG) und nicht der Tateinheit (§ 19 OWiG). Grundsätzlich gilt, dass mehrere – auch gleichartige – Verkehrsverstöße, die auf einer ununterbrochenen Fahrt begangen werden, nicht nur im materiellen, sondern auch im prozessualen Sinn als mehrere Taten zu bewerten sind (vgl. Senat, Beschl. v. 27.4.2020 – 3 Ws (B) 49/20; OLG Celle, Beschl. v. 10.6.2010 – 322 SsBs 161/10; OLG Hamm, Beschl. v. 12.92011 – III – 3 RBs 248/11). Der Umstand, dass mehrere Verstöße auf der gleichen Fahrt begangen wurden, ändert nichts daran, dass das Fahren als solches keine rechtliche Klammer im Sinne einer rechtlichen Tateinheit zu den einzelnen Fehlverhaltensweisen im Verkehr bildet (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 12.9.2011 – 3 RBs 248/11 –, BeckRS 2011, 24798; OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.5.2005 – 1 Ss (OWi) 87 B/05; OLG Jena NZV 1999, 304; OLG Düsseldorf NZV 1998, 78; BayObLG, Beschl. v. 1.8.1994 – 2 ObOWi 343/94; Gieg/Krenberger in Burhoff Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren 6. Aufl., Rn 3595). Dies gilt jedenfalls für fahrlässig begangene Verkehrsverstöße. Eine Ausnahme – eine einzige Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit – kommt nur dann in Betracht, wenn ordnungswidrigkeitenrechtlich erhebliche Verhaltensweisen durch einen derart unmittelbaren zeitlich-räumlichen und inneren Zusammenhang gekennzeichnet sind, dass sich der gesamte Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen unbeteiligten Dritten als einheitliches zusammengehöriges Tun darstellt (vgl. Senat, Beschl. v. 18.8.2016 – 3 Ws (B) 381/16; OLG Jena, Beschl. v. 14.1.2005 – 1 Ss 251/04; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 19 Rn 2) und auf einer einheitlichen Willensbetätigung i.S.v. derselben Willensrichtung beruht.
Gemessen an diesem Maßstab hat der Betroffene den Rotlichtverstoß und den anschließenden Gelblichtverstoß zwar auf einer ununterbrochenen Fahrt begangen und zwischen beiden Ampeln besteht auch ein enger örtlicher Zusammenhang – sie liegen gut 150 Meter auseinander –, aber beide Lichtzeichenanlagen regeln unterschiedliche Straßenbereiche mit unterschiedlichen Verkehrsbeziehungen. Demnach stellt das Durchfahren des Kreuzungsbereiches nach der Rotlicht abstrahlenden Ampelanlage eine zeitliche und räumliche Zäsur dar. Auch gehen vom Rotlicht eines Ampelregisters und vom Gelblicht einer ganz anderen Wechsellichtzeichenanlage unterschiedliche Normappelle aus, über die sich der Betroffene hinweggesetzt hat. Anders als in der Entscheidung des Senates vom 7.4.1997 (Senat, Beschl. v. 7.4.1997 – 3 Ws (B) 54/97) fehlt es an einer einheitlichen Willensbetätigung im Sinne einer einheitlichen Zielsetzung. Der Betroffene hat sich zur Sache nicht geäußert und objektive Anhaltspunkte, die auf eine einheitliche Willensbildung schließen lassen könnten, sind nicht feststellbar. Demnach stellen sich nach einer Gesamtbetrachtung trotz der zeitlich aufeinander abgestimmten Schaltfolge beider Ampeln auch für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise beide Verstöße nicht als zusammengefasstes Tun dar (so im Ergebnis auch: OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Jena a.a.O.; Gürtler/Thoma a.a.O., Vor § 19 Rn 6, 10).
Auch die Erklärung der Teilrücknahme des Einspruchs ist wirksam. Eine solche Prozesserklärung ist grundsätzlich unwiderruflich und bedingungsfeindlich (Ellbogen in KK-OWiG 5. Aufl., § 67 Rn 108; Paul in KK-StPO 8. Aufl., § 318 Rn 2a jeweils m.w.N.). Dass der Betroffene von einer fehlerhaften rechtlichen Einordnung der ihm zur Last gelegten Taten ausging – nämlich von Tateinheit – und diese Rechtsauffassung für die Rücknahme bestimmend gewesen sein mag, ist ein unbeachtlicher Motivirrtum (BGH NStZ 1984, 181 m.w.N.).
2. Das Verfahrenshindernis eines unwirksamen Bußgeldbescheides besteht nach der von Amts wegen im Freibeweis vorzunehmenden Prüfung ebenfalls nicht. Es liegt entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers ein wirksamer Bußgeldbescheid vor, weil der Bußgeldbescheid seiner Umgrenzungsfunktion gerecht wird. Zwar fehlen hinsichtlich des Gelblichtverstoßes Angaben zum Tatort und zur Tatzeit, aber dieser Vorwurf ist durch die Teilrücknahme in Rechtskraft erwachsen. Dass der Betroffene dabei von Tateinheit und nicht von Tatmehrheit dieser beiden Verstöße ausgegangen ist, ist unbeachtlich (s.o.). Im Übrigen wird der Bußgeldbescheid seiner Umgrenzungsfunktion gerecht. Diese Eigenschaft verliert der Bescheid nicht schon, wenn er den Anforderungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG nicht voll entspricht, sondern l...