ZPO § 91 Abs. 1 § 103 ff.
Leitsatz
Eine Festsetzung gem. §§ 103 ff. ZPO von zuvor auf materiell-rechtlicher Grundlage erfolglos eingeklagten Privatgutachtenkosten ist jedenfalls dann unzulässig, wenn der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch mit einer Begründung abgewiesen worden ist, mit der der Anspruch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird (Leitsatz der Schriftleitung).
OLG Köln, Beschl. v. 28.1.2022 – 17 W 180/21
1 Sachverhalt
In den Jahren 2014 und 2015 baute die Beklagte unter Rückbau eines Bestandsgebäudes an die auf der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Klägerin stehende Giebelwand des Nachbargebäudes an. Vor der Durchführung der Baumaßnahme ließ die Klägerin den Ist-Zustand ihres Gebäudes durch den Sachverständigen A dokumentieren. Der Sachverständige stellte für seine Tätigkeit am 16.4.2014 einen Betrag in Höhe von 1.348,75 EUR in Rechnung. Nach dem Abschluss der Baumaßnahme der Beklagten beauftragte die Klägerin den Sachverständigen A erneut, um behauptete Baumängel zu dokumentieren. Mit Rechnung vom 23.2.2016 stellte der Sachverständige der Klägerin hierfür 2.024,90 EUR in Rechnung.
In einem anschließenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin unter anderem die Erstattung der Kosten der beiden Gutachten mit der Begründung, diese seien notwendig und erforderlich gewesen, um die durch die Baumaßnahme entstandenen Schäden zu dokumentieren. Das LG Köln hat der Klage durch Urt. v. 2.4.2020 insoweit stattgegeben und dies damit begründet, es handele sich um notwendige Kosten der Schadensfeststellung. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das OLG Köln durch Urt. v. 15.3.2021 das landgerichtliche Urteil abgeändert und die auf Erstattung der Kosten des ersten Sachverständigengutachtens gerichtete Klage abgewiesen. Dies hat das OLG damit begründet, diese Kosten seien schon vor Beginn der Baumaßnahme entstanden und folglich nicht durch die von dem Grundstück der Beklagten ausgehenden Einwirkungen verursacht worden.
Hieraufhin hat die Klägerin die vom Sachverständigen A am 16.4.2014 berechneten Privatgutachtenkosten in Höhe von 1.348,75 EUR zur Kostenfestsetzung angemeldet. Der Rechtspfleger hat den Kostenfestsetzungsantrag insoweit zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
… .“
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 23.11.2021 gegen den am 15.11.2021 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss vom 08.10.2021 ist gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff. ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Rechtspflegerin hat den Antrag der Klägerin vom 10.5.2015 auf Festsetzung der Kosten des außergerichtlichen vorprozessualen Privatgutachtens des A vom 16.4.2014 in Höhe von EUR 1.348,75 im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen.
a) Ob der Umstand, dass ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch rechtskräftig aberkannt worden ist, zugleich auch einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch ausschließt, ist allerdings in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. zum Streitstand BGH, Beschl. v. 09.2.2012 – VII ZB 95/09, Rn 6 ff., zfs 2012, 282 m. Anm. Hansens = AGS 2012, 252 = RVGreport 2012, 227 [Hansens]).
aa) Nach einer Ansicht hindert eine Aberkennung von Kosten im Erkenntnisverfahren deren nachträgliche Festsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht. Es handele sich um unterschiedliche Institute mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Während der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO allein kraft prozessualer Veranlassung entstehe, soweit die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, setze der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch stets eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage voraus, deren Voraussetzungen in einem gerichtlichen Erkenntnisverfahren zu prüfen sind. Daraus folge, dass ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch auch dann bestehen könne, wenn ein materieller Kostenerstattungsanspruch mangels Anspruchsgrundlage nicht gegeben sei und umgekehrt.
bb) Nach anderer Ansicht könne jedenfalls bei unverändertem Sachverhalt der in einem Verfahren aberkannte Erstattungsanspruch nicht erneut in dem anderen Verfahren geltend gemacht werden. Dies diene der Wahrung des eingetretenen Rechtsfriedens und der Vermeidung unterschiedlicher Entscheidungen über Ansprüche aus demselben Sachverhalt.
cc) Nach Auffassung des BGH scheidet eine prozessuale Kostenerstattung von zuvor auf materiell-rechtlicher Grundlage erfolglos eingeklagten Kosten eines Privatgutachters jedenfalls dann aus, wenn der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch mit einer Begründung abgewiesen worden ist, mit der er nun im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird (BGH, Beschl. v. 09.2.2012 – VII ZB 95/09 Rn 11, zfs 2012, 282 m. Anm. Hansens = AGS 2012, 252 = RVGreport 2012, 227 [Hansens]).
b) Im Streitfall kommt nach allen Auffassungen eine Erstattung der geltend gemachten Kosten nicht in Betracht.
aa) Mit Urt. v. 15.3.2021 hat das OLG den materiellen Kostenerstattung...