AVB-BSV Ziffer 1.1.1
Leitsatz
Mittelbare Beeinträchtigungen eines Catering-Unternehmens aufgrund des coronabedingten Lockdown sind in der Betriebsschließungsversicherung nicht versichert.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 21.9.2022 – IV ZR 305/21
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob der Kl. gegen die Bekl. Ansprüche aus einer bei dieser seit dem 1.1.2020 gehaltenen Betriebsschließungsversicherung wegen der Einstellung des Betriebs eines Catering-Service im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zustehen.
Dem Versicherungsvertrag liegt AVB zugrunde, in denen es u.a. heißt:
Zitat
1. Gegenstand der Versicherung
1.1 in Erweiterung … gewährt der VR Versicherungsschutz für den Fall, dass von der zuständigen Behörde
1.1.1 der versicherte Betrieb oder eine Betriebsstätte des versicherten Betriebes zur Verhinderung oder Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern beim Menschen geschlossen wird. Als Schließung ist es auch anzusehen, wenn sämtliche Betriebsangehörige Tätigkeitsverbote erhalten oder für die Fortführung des Betriebes wesentliche Betriebsangehörige mit einem Tätigkeitsverbot belegt werden, so dass die übrigen Betriebsangehörigen tatsächlich oder rechtlich außerstande sind, den Betrieb fortzuführen (faktische Betriebsschließung). Versicherungsschutz besteht auch, wenn nur Teile des Betriebes von der Schließung betroffen sind.
…
1.3 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) in der jeweils zum Schadenzeitpunkt aktuellen Fassung in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger.
…
Das BG hat die gegen das die Klage abweisende Urteil des LG gerichtete Berufung zurückgewiesen:
Zum einen fehle es mit Blick auf den Betriebsgegenstand der Kl. an einer Schließung durch die zuständige Behörde. Catering falle nicht unter die Betriebsarten, deren Schließung Gegenstand der VO über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus gewesen sei. Zum anderen scheitere unabhängig davon ein Anspruch der Kl. daran, dass im streitgegenständlichen Zeitraum weder COVID-19 als Krankheit noch SARS-CoV oder SARS-CoV 2 als Krankheitserreger in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung von §§ 6 und 7 IfSG namentlich aufgeführt gewesen seien.
2 Aus den Gründen:
[4] III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor; der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO). …
[6] b) Soweit das BG die Zurückweisung der Berufung damit begründet hat, einem Anspruch der Kl. stehe schon entgegen, dass die zuständige Behörde den Betrieb der Kl. nicht geschlossen habe und allein das Eintreten eines Umsatzeinbruchs nicht versichert sei, fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung.
[7] Insoweit ist nicht ersichtlich, dass in den beteiligten Verkehrskreisen über den hiesigen Einzelfall hinaus Streit darüber besteht, ob die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zutreffend ist, eine ausschließlich mittelbare Beeinträchtigung der Umsatzsituation eines Betriebes ohne eine diesen Betrieb selbst betreffende behördliche Anordnung reiche nicht aus, um bei der hier vereinbarten Bedingungslage Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung zu erhalten. Von der Rechtsauffassung des hiesigen BG abweichende Entscheidungen sind nicht ersichtlich; gleiches gilt für die Aufsatzliteratur (vgl. Günther/Piontek, r+s 2020, 242, 245; Schreier, VersR 2020, 513, 516).
[8] 2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kl. gegen die Bekl. keine Ansprüche zustehen.
[9] a) Der Gewerbebetrieb der Kl. unterfiel nicht der Aufzählung der von der Schließung ab 14.3.2020 in B betroffenen Betriebe nach §§ 2 bis 4 der SARS-CoV-2-EindV. Damit fehlt es an einer bedingungsgemäßen Schließung des Betriebs der Kl. durch die zuständige Behörde (Ziff. 1.1 und 1.1.1 AVB).
[10] Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, es bestehe auch ohne behördliche Schließung des konkreten Betriebs der Kl. ein Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung, weil auch für eine solche faktische Betriebsschließung Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung gegeben sei. Der durchschnittliche VN wird nämlich schon aus dem eindeutigen Wortlaut von Ziff. 1.1 und 1.1.1 AVB ohne weiteres erkennen, dass allein das Ausbleiben von Kunden und sich hieraus ergebende Nachfrageausfälle und Umsatzeinbußen nicht versichert sind.
Denn Ziff. 1.1 und 1.1.1 AVB machen die Gewährung von Versicherungsschutz ausdrücklich von der Schließung des versicherten Betriebs durch die zuständige Behörde abhängig. Dies lässt entgegen der Auffassung der Revision keinen Raum für eine Ausdehnung des Leistungsversprechens des VR auf eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage eine...