VVG § 81 § 86; BGB § 548; AKB A 1.2 A 2.8
Leitsatz
1. Zum Regress des Kaskoversicherers, wenn das versicherte Mietfahrzeug durch den im Mietvertrag nicht als Fahrer benannten Sohn des Mieters im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit gebraucht und beschädigt wurde.
2. Enthält der Versicherungsvertrag abschließende Regelungen zu den mitversicherten Personen und einem unter bestimmten Voraussetzungen auch zu deren Gunsten wirkenden Regressverzicht des VR, so wird, wenn die vertraglichen Voraussetzungen dieses Regressverzichts nicht vorliegen, auch eine entsprechende Anwendung der gesetzlichen Regressbeschränkungen regelmäßig nicht in Betracht kommen.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 9.9.2022 – 5 U 2/22
1 Sachverhalt
Die Kl. nimmt den Bekl. nach einem Verkehrsunfall vom 11.10.2019 auf Schadensersatz wegen der Beschädigung eines bei ihr versicherten Mietfahrzeugs in Anspruch.
Die T. GmbH war zum Unfallzeitpunkt Eigentümer des Fahrzeugs, für das bei der Kl. eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 1.000,– EUR bestand. Das Fahrzeug war vor dem Unfall von der Mutter des Bekl. für ihre Praxis für Physiotherapie angemietet worden, wobei Herr C. W. als einziger Fahrer berechtigt war, das Fahrzeug zu führen, und unter dem Vermerk "weiterer Fahrer" niemand, insbesondere nicht der Bekl., eingetragen ist. Aufgrund dessen, dass Herr C. W. als einziger Fahrer in den Mietvertrag aufgenommen wurde und seit 1998 im Besitz der Fahrerlaubnis war, wurde ein Sonderpreis für 30 Tage vereinbart; demgegenüber wäre der Mietvertrag mit dem Bekl. als berechtigtem Fahrer, der nur den Führerschein auf Probe hatte, nicht abgeschlossen worden. Der Bekl. hatte vor dem Unfall mit dem Fahrzeug die O.-Straße, in Richtung O. befahren, aufgrund seiner erheblichen Alkoholisierung mit einer BAK von 1,48 Promille war er am Ausgang einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn abgekommen und mit vier Leitschutzplankenelementen sowie sechs dazugehörigen Verankerungen kollidiert; im Anschluss daran stellte er das beschädigte Fahrzeug auf einem nahegelegenen Waldweg ab, entfernte sich vom Unfallort, später fuhr er mit dem Fahrzeug einer Freundin an die Unfallörtlichkeit zurück, um mit einem Besen auf der Fahrbahn die Unfallspuren zu beseitigen. An dem versicherten Fahrzeug, das einen Tag später an die Vermieterin zurückgegeben wurde, entstand Totalschaden.
2 Aus den Gründen:
Die Kl., die ihrer VN den Fahrzeugschaden in Höhe von 6.570,73 EUR ersetzt hat, kann aus übergegangenem Recht (§ 86 Abs. 1 VVG) von dem Bekl., der als Schadensverursacher gegenüber der Fahrzeugeigentümerin aus unerlaubter Handlung haftet, die Erstattung dieses Betrages verlangen. Ihr Anspruch ist weder aufgrund des Bestehens einer häuslichen Gemeinschaft zwischen dem Bekl. und seiner Mutter ausgeschlossen, noch wegen Verjährung undurchsetzbar geworden.
1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Zahlungsanspruchs ist … der auf sie nach § 86 Abs. 1 VVG übergegangene Anspruch ihrer VN aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB, ggf. auch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 303 StGB, gegen den Bekl. Denn die Kl. hat den Schaden am Fahrzeug ihrer VN, einer gewerblichen Autovermieterin, aufgrund ihrer Leistungspflicht aus der Vollkaskoversicherung reguliert und nach Abzug des vereinbarten Selbstbehaltes von 1.000,– EUR einen Betrag in Höhe von 6.570,73 EUR an diese gezahlt. Auf die vom LG herangezogenen Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern (§§ 426 Abs. 1, 426 Abs. 2 iV.m. §§ 823 ff. BGB) kann dagegen vorliegend nicht abgestellt werden.
Denn zwischen der Kl. und dem Bekl. besteht im Verhältnis zur Fahrzeugeigentümerin und VN kein Gesamtschuldverhältnis i.S.d. §§ 421 ff. BGB. Die – hier allein in Rede stehende – vertragliche Leistungspflicht der Kl. aus dem Kaskoversicherungsvertrag steht nicht gleichstufig neben dem deliktischen Schadensersatzanspruch des Eigentümers gegen den Bekl. als Schädiger einer unerlaubten Handlung: der Bekl. haftet als Schädiger, der VR ist aus dem mit der Eigentümerin geschlossenen Versicherungsvertrag einstandspflichtig (vgl. BGH VersR 2009, 1130; Böttcher in; Erman, BGB 16. Aufl. § 421 Rn 13).
Auch ist die Kl. ihrer VN nicht neben dem Bekl. gemäß § 115 Abs. 1 VVG als Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer zum Schadensersatz verpflichtet. Ein solcher Direktanspruch würde voraussetzen, dass die VN als "Dritter" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen wäre und sich die Schadensersatzleistung darüber hinaus "im Rahmen der Leistungspflicht des VR aus dem Versicherungsverhältnis" bewegte (BGH VersR 2008, 1202).
Auch wenn der Bekl. als Fahrer des Fahrzeugs – ohne Rücksicht auf seine diesbezügliche Berechtigung – zu den in der Kfz-Haftpflichtversicherung mitversicherten Personen zählte (vgl.A.1.2 Abs. 1 Buchstabe c) AKB; dazu Maier, in: Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 19. Aufl., A.1 AKB Rn 148), wäre die VN als Partei dieses Versicherungsvertrages hinsichtlich der ihr selbst entstandenen Sach- oder Vermögensschäden nicht zugleich "Dritter" im Sinne von § 115 Abs. 1 VVG.
Denn nach dem Leistungsaussch...