[…] II. Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Rechtsmittel führt auf die erhobene Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache, weil die Beweiswürdigung des Amtsgerichts in mehrfacher Hinsicht an durchgreifenden Rechtsfehlern leidet.
1. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts (§ 71 OWiG i.V.m. § 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Tatgerichts setzt allerdings objektive Grundlagen voraus, die aus rationalen Gründen den Schluss erlauben müssen, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt und nicht nur eine Vermutung darstellt. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert voneinander bewertet, sondern sie müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt u.a. BGH, Beschl. v. 7.6.2023 – 4 StR 128/23; BayObLG, Beschl. v. 30.5.2023 – 202 StRR 29/23).
2. Gemessen hieran halten die Beweiserwägungen des Amtsgerichts zur subjektiven Tatseite des Betroffenen in mehrfacher Hinsicht einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand:
a) Die Beweiswürdigung ist bereits deshalb durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil das Amtsgericht zur Begründung des angenommenen (bedingten) Tatvorsatzes von einer durch die Beweisaufnahme nicht belegten Tatsachenalternativität ausgeht, wenn es ausführt, dass der Betroffene "entweder […] die zulässige Höchstgeschwindigkeit erkannt" habe, "indem er mindestens eines der sechs aufgestellten Schilder gesehen […] und diese bewusst ignoriert, oder […] die Beschilderung von Anfang an völlig ignoriert und außer Betracht gelassen und gleichzeitig die ihm bekannte Geschwindigkeitsbegrenzung völlig verdrängt" habe, weshalb er "zumindest billigend in Kauf genommen" habe, "die Geschwindigkeitsbegrenzung massiv zu überschreiten". Jedenfalls für die zweite Alternative zur Begründung der subjektiven Tatseite ergeben sich anhand der Urteilsfeststellungen jedoch für die entsprechende tatrichterliche Überzeugung tragende, verstandesmäßig einsehbare tatsächliche Anhaltspunkte, mithin belastbare Tatsachengrundlagen, die erkennen lassen, dass die gezogenen Schlussfolgerungen mehr als nur eine Annahme rechtfertigen, nicht. Vielmehr handelt es sich um eine willkürlich anmutende spekulative Schlussfolgerung, für die die Beweiswürdigung keinen Anhaltspunkt liefert.
b) Entsprechens gilt, soweit das Amtsgericht unter Zugrundelegung der Einlassung des Betroffenen zu dem von ihm befahrenen Streckenverlauf darauf abhebt, dass der Betroffene insoweit selbst nicht geltend mache, dass das am Ende der Autobahnauffahrt postierte rechte Verkehrszeichen des dritten Schilderpaares durch Schwerlastverkehr verdeckt gewesen sei, obwohl er sich andererseits an diverse andere Details zum Tattag noch genau erinnern könne. Die dieser Erwägung zugrunde liegende Annahme des Amtsgerichts, dass sich ein von einem verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren Betroffener noch nach mehreren Monaten daran erinnern könne, ob und an welcher Stelle der Autobahn ein Lkw gefahren sei, ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Betroffene sich an die Fahrt als solche und "diverse Details" erinnern konnte, völlig lebensfern und läuft ebenfalls auf eine bloße Spekulation ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt hinaus.
c) Maßgeblich für die dem Schuldspruch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde zu legende Schuldform ist nicht allein die gemessene Tatzeitgeschwindigkeit und das aus dieser resultierende exakte Maß der sog. relativen Geschwindigkeitsüberschreitung, sondern die Überschreitung der am Tatort zulässigen Höchstgeschwindigkeit als solcher. Bei einer auf einer Autobahn begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung setzt die Annahme von Tatvorsatz sowohl Kenntnis von der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung als auch von ihrer Überschreitung voraus.
aa) Zwar dürfen die Tatgerichte anlässlich einer Verurteilung wegen Vorsatzes die auf Erfahrung beruhende Wertung, dass ordnungsgemäß aufgestellte, die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschränkende Verkehrszeichen von durchschnittlichen Verkehrsteilnehmern bei zumutbarer Aufmerksamkeit anlässlich der Fahrt mindestens durch eine beiläufige Blickerfassung in aller Regel wahrgenommen und als solche auch verstanden werden, regelmäßig zugrunde legen; sie sind insbesondere nicht etwa aufgrund des Zweifelssatzes oder aus anderen Gründen des materiellen Rechts gehalten, zugunsten eines Betroffenen Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte liefert.
bb) Die Möglichkeit, dass die oder der Betroffene die eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit anordnenden Verkehrszeichen übersehen hat, ist allerdings dann in Rechnung zu stellen, wenn sich hierfür greifbare Anhaltspunkte er...