StPO § 147
Leitsatz
Dem als Zeuge in einem Bußgeldverfahren befragten Fahrzeughalter steht regelmäßig auch über einen beauftragten Rechtsanwalt kein Anspruch auf Akteneinsicht in die Ermittlungsakte zu. (Leitsatz der Redaktion)
AG Eilenburg, Beschl. v. 30.8.2023 – 8 OWi 510/23
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin – eine GmbH – wurde als Fahrzeughalterin des festgestellten Fahrzeugs in einem gegen Unbekannt eingeleiteten Bußgeldverfahren wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes als Zeugin seitens der Verwaltungsbehörde befragt und sollte in diesem Zusammenhang Angaben zum verantwortlichen Fahrzeugführer machen. Daraufhin zeigte sich für die Antragstellerin unter anwaltlicher Versicherung einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigte an und begehrte Akteneinsicht in die Ermittlungsakte. Dies hat die Verwaltungsbehörde abgelehnt. Daraufhin stellte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG. Das AG hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
[…] II.
1. Der gemäß §§ 49b Nr. 5, 62 OWiG i.V.m. §§ 475, 480 Abs. 3 Satz 1 StPO zulässige Antrag ist unbegründet. Der Antragstellerin steht kein Anspruch auf Akteneinsicht zu.
Dieser Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 49b OWiG i.V.m. § 475 Abs. 1, Abs. 2 StPO. Danach kann ein Rechtsanwalt unbeschadet des § 57 BDSG für Privatpersonen bzw. sonstige Stellen Auskünfte aus Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären erhalten, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse dargelegt (§ 475 Abs. 1 Satz 1 StPO). Derartige Auskünfte sind zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat (§ 475 Abs. 1 Satz 2 StPO). Die darüber hinausgehende Akteneinsicht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 gewährt werden, wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern oder nach Darlegung dessen, der Akteneinsicht begehrt, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses nicht ausreichen würde (§ 475 Abs. 2 StPO).
Diese Voraussetzungen liegen bereits deshalb nicht vor, weil die Antragstellerin keine Tatsachen vorgetragen hat, aus denen sich ein berechtigtes Interesse an der Erlangung der mit der Akteneinsicht verfolgten Informationen herleiten lässt. Soweit die Antragstellerin vortragen lässt, dass die Akteneinsicht dazu diene, gegebenenfalls den verantwortlichen Fahrzeugführer ermitteln und namhaft machen zu können, vermag sie damit nicht durchzudringen, da es dem Gericht völlig unverständlich erscheint, was die Antragstellerin bzw. ihr Geschäftsführer bei einer Akteneinsicht mehr hätten an Erkenntnissen gewinnen können, als durch die Wahrnehmung der bereits mit dem Zeugenvernehmungsbogen übersandten Tatfotos, auf denen insbesondere auch der verantwortliche Fahrzeugführer klar zu erkennen ist.
Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass in einer derartigen Verfahrenskonstellation auch die hypothetische Möglichkeit, der Antragstellerin die Führung eines Fahrtenbuches gemäß § 31a StVZO aufzuerlegen, für die Annahme eines berechtigten Interesses nicht ausreicht (vgl. auch LG Kassel, Beschl. v. 20.12.2002 – 5 AR 13/02, NZV 2003, 437).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
3. Die Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar.
zfs 1/2024, S. 51