AUB 94 § 2 Nr. III
Leitsatz
1. Ob ein Unfallereignis oder eine Marcumarbehandlung für eine Gehirnblutung die überwiegende Ursache ist, richtet sich nach der Gewichtung der Ursachen.
2. Eine Marcumarbehandlung ist einer Vorerkrankung oder einem Gebrechen gleichzusetzen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Koblenz, Urt. v. 16.3.2007 – 10 U 1238/05
Aus den Gründen
“ … Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. …
Ein Anspruch der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag ist gem. § 2 III (2) AUB 94 ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung fallen Gehirnblutungen nicht unter den Versicherungsschutz, es sei denn, dass ein unter den Versicherungsvertrag fallendes Unfallereignis i.S.d. § 1 III AUB 94 die überwiegende Ursache ist.
Auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der von dem Sachverständigen Prof. Dr. S … gegebenen Erläuterungen ist festzustellen, dass die bei der Klägerin unstreitig aufgetretene Gehirnblutung ganz überwiegend nicht durch einen Unfall i.S.d. AUB, sondern durch die bei ihr vorhandene Blutverdünnung durch Marcumar verursacht wurde. Ein Unfallereignis ist dann die überwiegende Ursache, wenn sein Anteil am zur Schädigung führenden Kausalverlauf mehr als 50 % beträgt. Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden.
Zunächst hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin durchaus einen Unfall i.S.d. § 1 III AUB 94 erlitten hat. … Auch spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Ausgangspunkt der später festgestellten Gehirnblutung eine traumatisch bedingte Ruptur eines Blutgefäßes im Gehirn war. So hat der Sachverständige dargelegt, dass die Lokalisation der Blutung im Bereich des Cortex zu der Bewertung führe, dass diese Ruptur traumatisch durch den geschilderten Unfall bedingt sei und dass eine spontane Ruptur eines Blutgefäßes in diesem Bereich eher unwahrscheinlich sei. Auch sei es angesichts des anzunehmenden Quickwertes eher unwahrscheinlich, dass dieser eine Spontanblutung in der betroffenen Region ausgelöst haben könne. Die Entstehung der Blutung wäre ohne ein stattgehabtes Trauma, auch ein leichteres, nicht nachzuvollziehen. Damit kann festgestellt werden, dass die Klägerin einen Unfall erlitten hat und dass dieser Unfall für die Gehirnblutung auch insoweit ursächlich war, als es ohne ihn zu einer Gefäßruptur und in ihrer Folge zu einer Gehirnblutung nicht gekommen wäre.
Gleichwohl kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dieser Unfall die Gehirnblutung ausschließlich oder auch nur überwiegend verursacht hat.
Zur Beantwortung der Frage, ob für eine Gehirnblutung ein Unfall die überwiegende Ursache i.S.d. § 2 III (2) S. 2 AUB 94 ist, kann nicht alleine darauf abgestellt werden, welcher Umstand initial den Anstoß für den Beginn der Blutung gegeben hat. Auch kann es nicht darauf ankommen, ob neben einem Unfall, der zu einer Gefäßruptur geführt hat, es auch möglich war, dass eine Blutung auf Grund vorgeschädigter Gefäße jederzeit hätte spontan beginnen können, sodass für den Beginn der Blutung mehrere auslösende Ursachen in Betracht kommen. Es ist vielmehr die konkret aufgetretene Blutung in ihrem Verlauf und auch hinsichtlich der Blutungsdauer und der Menge des ausgetretenen Blutes in einer Gesamtschau wertend zu betrachten und festzustellen, welche Faktoren im Einzelnen dazu beigetragen haben, dass eine Gehirnblutung des vorgefundenen Ausmaßes auftreten konnte. Eine Sichtweise, dass zeitlich unmittelbar mit Ruptur und Beginn der Blutung eine – überwiegend unfallbedingte – “Gehirnblutung’ bereits gegeben und der weitere Blutaustritt als bloße “Folge’ hinsichtlich der Kausalität unerheblich wäre, würde demgegenüber eine willkürliche Aufspaltung des Geschehens bedeuten.
Dabei kann hier nicht außer Betracht gelassen werden, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S das Ausmaß der Blutung ganz überwiegend von der bei der Klägerin vorliegenden Blutverdünnung durch Marcumar beeinflusst war und dass es ohne die Blutgerinnungshemmung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Blutung in einem Umfang, der geeignet war, die bei der Klägerin eingetretenen Schädigungen herbeizuführen, gekommen wäre. … Die eingetretene Blutung sei quantitativ zu etwa 80 % des schließlich festgestellten Volumens der Behandlung durch Marcumar zuzurechnen und nur etwa 20 % der vorgefundenen Menge wäre auch ohne die Blutgerinnungshemmung aufgetreten. Im Ergebnis habe eine Blutung in einer Größenordnung von 50 ml vorgelegen; bis zu 10 ml könnten durchaus normalerweise als Sturzfolge unbemerkt bleiben und vom Körper folgenlos resorbiert werden. Auch wenn unterstellt werde, dass die Klägerin möglicherweise über etliche Stunden fast bewusstlos gewesen sei, bleibe es dabei, dass die Blutung von Anfang an nur eine geringe und langsam abgelaufene gewesen sein könne. Eine initial stärkere Blutung in diesem Zeitraum hätte von der Klägerin kaum überlebt werden können.
Auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen, die insgesamt nachvollziehbar und überzeugend sind und denen der Senat sich auf Grund eigener Würdigung der dar...