StVG § 17 Abs. 1 und 2
Leitsatz
Kann bei einem Unfall bei einem Überholvorgang nicht festgestellt werden, ob und welchem der Unfallbeteiligten ein unfallursächlicher Fahrfehler unterlaufen ist, ist bei der Haftungsverteilung allein auf die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge abzustellen. Dabei kommt einem aus Lkw und Hänger bestehenden Gespann eine höhere Betriebsgefahr zu als einem Pkw, sodass zu Lasten des Halters des Gespanns von einer Haftungsquote von 70 % auszugehen ist.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Weiden, Urt. v. 16.11.2007 – 1 C 489/07
Sachverhalt
Der Kläger, Fahrer und Halter und Eigentümer eines Pkw hat die Beklagtem aus einem Unfallereignis vom 1.11.2006 auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das von dem Beklagten zu 1) gefahrene Gespann, bestehend aus einem Lkw und einem Tandem-Anhänger, wobei Versicherer des Lkw die Beklagte zu 2), Haftpflichtversicherer des Anhängers die Beklagte zu 3) war, wurde von dem Fahrzeug des Klägers auf der BAB überholt. Aus zwischen den Parteien streitigen Gründen kam es zu einer Kollision der Fahrzeuge. Nach der Darstellung des Klägers sei es zu dem Unfall gekommen, weil der Hänger beim Überholen gegen den überholenden Pkw gestoßen sei. Die Beklagten haben zur Unfallursache sich darauf bezogen, dass die Klägerin mit ihrem Pkw auf Grund eines Fahrfehlers gegen den auf der rechten Fahrspur ordnungsgemäß fahrenden Hänger gestoßen sei. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen, die Anhörung der Fahrer und die Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens ergaben keine Klärung, welche der beiden Unfallursachen zutreffend war. Das AG gelangte zu einer Haftungsverteilung von 70 % zu Lasten der Beklagten.
Aus den Gründen
“Die zulässige Klage war teilweise begründet.
Soweit der Klage stattgegeben wurde, beruht die Einstandspflicht auf den § 18 StVG, §§ 1, 3 PflVG, §§ 249 ff., 421 BGB. Eintrittspflichtig sind neben dem Beklagten zu 1) als Fahrer beide Haftpflichtversicherer (für Lkw und Anhänger). Die interne Regulierung zwischen den Beklagten zu 2) und zu 3) ist für den vorliegenden Prozess nicht von Bedeutung.
Trotz der Einvernahme von zwei Unfallzeugen, der Anhörung der beiden Fahrer, sowie der Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens konnte die Verschuldensfrage nicht geklärt werden. Hinsichtlich der Frage, welches der beteiligten Fahrzeuge auf die andere Fahrspur gekommen ist, widersprechen sich die Beteiligten. Beide Versionen sind denkbar.
Schließlich kann auch beiden Fahrzeugführern ein Fehler unterlaufen sein. Die Klägerin kann zu weit nach rechts, und der Beklagte kann zu weit nach links gekommen sein. Auch das Sachverständigengutachten konnte insofern keine nähere Aufklärung bringen. Keine der Parteien hat nachgewiesen, dass die Kollision für sie ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG gewesen ist. Folglich bestimmt sich die Ersatzpflicht nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG. Die Betriebsgefahren der Fahrzeuge sind gegeneinander abzuwägen. Das Gericht ist der Ansicht, dass von dem Gespann (Lkw und Hänger) eine höhere Betriebsgefahr ausgeht als vom Pkw der Klägerin. Hierbei wurde u.a berücksichtigt, dass das Gespann schwerer, länger und instabiler ist als der Pkw, welcher allerdings schneller ist. Das Gericht geht folglich von einer Haftungsverteilung von 70 % : 30 % zu Gunsten der Klägerin aus. Die Klägerin kann mithin 70 % ihres ansatzfähigen Schadens ersetzt verlangen.“
Mitgeteilt von RA Frank W. Schubert, Chemnitz