ZPO §§ 114, 411a
Leitsatz
1) Zur Zulässigkeit der Beweisantizipation im Rahmen der Sachprüfung des PKH-Gesuchs eines nach Deliktsgrundsätzen in Anspruch genommenen Beklagten, der den Tatvorwurf bestreitet und sich hierbei auf das Vorliegen der Konstellation "Aussage gegen Aussage" beruft (hier: PKH-Antrag eines auf Schmerzensgeld verklagten Ehemanns, der im vorausgegangenen – rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren wegen Vergewaltigung der klagenden Ehefrau verurteilt worden ist).
2) Schon im Hinblick auf die Verwertungsmöglichkeit nach § 411a ZPO ist es in der Regel unbedenklich, wenn ein im vorausgegangenen Ermittlungs- oder Strafverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten zur Grundlage einer vorweggenommenen Beweiswürdigung bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der – beabsichtigten – Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung einer um Pkw nachsuchenden Partei gemacht wird.
(Leitsätze des Einsenders)
OLG Bamberg, Beschl. v. 8.8.2007 – 4 W 42/07
Sachverhalt
Der Beklagte erstrebt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Verteidigung seiner ehemaligen Ehefrau, die ihn wegen behaupteter Vergewaltigung in zwei Fällen auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie auf Ersatz des materiellen Schadens für Vergangenheit und Zukunft in Anspruch nimmt. Im Strafverfahren war der Beklagte wegen zweier zum Nachteil der Klägerin begangener Vergewaltigungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 3 Monaten verurteilt worden. Der Beklagte hat behauptet, dass es nur ein einziges Mal und ohne Gewaltanwendung zum Geschlechtsverkehr zwischen den Parteien gekommen sei. Dabei sei er betrunken und deshalb nur eingeschränkt schuldfähig gewesen.
Der Urkundenbeweis im Wege der Verwertung der Strafakten sei nicht zulässig, sodass der Ausgang des Rechtsstreites von dem Ergebnis der beiderseitigen Parteieinvernahme abhänge und damit "offen" sei. Das LG hat das Prozesskostenhilfegesuch wegen fehlender Erfolgssaussicht zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
“Das statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel (§§ 127 Abs. 2 und 3; 567 ff. ZPO) bleibt in der Sache ohne Erfolg. Denn zu Recht ist das LG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verteidigung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 S. 1 ZPO) und seinem Gesuch deshalb schon aus sachlichen Gründen nicht entsprochen werden kann. Ergänzend zu den Darlegungen des LG merkt der Senat im Hinblick auf die Beschwerdeangriffe an:
1. Schon im prozessualen Ausgangspunkt ist die Auffassung des Beschwerdeführers nicht frei von Rechtsirrtum. Bei der nach § 114 S. 1 ZPO gebotenen summarischen Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist, wenn auch nur in gewissen Grenzen, eine vorweggenommene Beweiswürdigung grundsätzlich zulässig. Das ist längst gefestigte Rspr. (vgl. etwa BGH NJW 1994, 1160, 1161 – zugleich in Abgrenzung von BGH NJW 1988, 266; OLG Koblenz NJW-RR 1992, 706; OLG Köln NJW-RR 1995, 1405; OLG Hamm NJW-RR 2000, 1669; Zöller, 26. Aufl., Rn 26, 26a zu § 114 ZPO; Musielak/Fischer, 5. Aufl., Rn 21 zu § 114 ZPO). Dies schließt ein, dass eine vorausschauende Würdigung des wahrscheinlichen Erfolges der angebotenen Beweismittel vorzunehmen ist.
Hierbei ist es dem Gericht auch nicht verwehrt, auf den Beweisstoff in anderen Verfahren zurückzugreifen, um dabei z.B. auch Aussagen von Zeugen heranzuziehen, wenn nach den Gesamtumständen anzunehmen ist, dass eine erneute Beweisaufnahme zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (OLG Hamm a.a.O.; OLG Nürnberg JurBüro 1986, 286; zuletzt etwa BVerfG NJW-RR 2004, 61).
Hält das Gericht auf Grund dieser Prüfung die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache für sehr unwahrscheinlich, so darf es Prozesskostenhilfe selbst dann verweigern, wenn es einem von der Partei gestellten Beweisantrag stattgeben müsste. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht mit denen einer Beweiserhebung identisch, wobei der Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht enger verstanden werden darf als das Gebot zur Beweiserhebung (BGH und Musielak/Fischer, jeweils a.a.O.). Diese Grundsätze stehen auch im Einklang mit der Rspr. des BVerfG. So läuft die Verweigerung von Prozesskostenhilfe keineswegs dem Gebot der Rechtschutzgleichheit zuwider, wenn “konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte’ dafür aufgezeigt werden können, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. nur BVerfG NJW 2003, 2976). So aber liegen die Dinge im Streitfall.
2. “Zeuge Dr. R.’
Der Beweisantritt in der Klageantwort stellt in das Wissen des Zeugen, es sei “nicht zur Anwendung von Gewalt und auch nicht zum Samenerguss (gekommen)’.
Dieses Beweisangebot fügt sich in den bisherigen Verhandlungsstoff nicht ohne weiteres ein. Denn auch das Beschwerdevorbringen geht unverändert davon aus, dass es für das eigentliche Tatgeschehen keine Zeugen gibt. Demnach dürfte es sich bei dem benannten “Zeugen’ um den Frauenarzt Dr. A handeln, der die Klägerin am 21.4.2005 i...