In den Fällen, in denen der Reparaturaufwand zwar über dem Wiederbeschaffungsaufwand, jedoch noch unter dem Wiederbeschaffungswert liegt (sog. 100-%-Fälle), kann der Geschädigte entweder konkret den tatsächlichen Reparaturaufwand abrechnen. In diesem Fall kommt es nicht auf die Weiternutzung an. Oder er nutzt das Fahrzeug für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nach dem Unfall weiter. Der BGH verlangt in diesem Fall lediglich eine ggf. zur Wiederherstellung des Fahrzeugs erforderliche Teilreparatur, ohne dass es auf die Qualität dieser Reparatur ankommt. Fraglich ist, ob auch dann von der sofortigen Fälligkeit des fiktiv abzurechnenden Reparaturaufwandes auszugehen ist.
Der BGH begründet die Annahme, dass es sich bei der Sechsmonatsfrist um keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung handelt, mit verschiedenen Argumenten. Die grundsätzlichen Erwägungen des BGH zur Dogmatik der Fälligkeit, wonach bei einem Schadensersatzanspruch die Fälligkeit des gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrages nach § 271 Abs. 1 BGB in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung eintritt, lassen sich unmittelbar auch auf die 100-%-Fälle übertragen.
Allein der Hinweis des BGH, wonach durch die Wiederherstellung des Fahrzeugs durch den Geschädigten dessen Wille zur Weiternutzung zunächst ausreichend belegt sei, lässt sich regelmäßig nicht auf die 100-%-Fälle übertragen, da bei letzteren grundsätzlich gerade keine Wiederherstellung erfolgt. Eine Ausnahme stellen die Fälle einer im Einzelfall zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit erforderlichen Teilreparatur dar. Bei dieser Konstellation lässt sich die Argumentation des BGH unmittelbar dergestalt übertragen, dass der Geschädigte in den 100-%-Fällen durch die Wiederherstellung der Verkehrssicherheit seinen Willen zur Weiternutzung zunächst ausreichend belegt, da auch die Teilreparatur anderenfalls wenig sinnvoll erscheint.
Doch auch in den übrigen 100-%-Fällen, in denen keinerlei Reparatur erfolgt, beanspruchen die weiteren Argumente des BGH zur dogmatisch grundsätzlich anzunehmenden sofortigen Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs gleichermaßen Geltung. Auch ohne das zusätzliche Argument des zunächst durch die Reparatur belegten Willens zur Weiternutzung führt die vom BGH vorgenommene Argumentationskette zur sofortigen Fälligkeit. Die Weiternutzung stellt danach keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung dar, sondern entfaltet allein eine beweismäßige Bedeutung.
Der Unterschied zum 100-%-Fall, in dem nicht repariert wird, besteht allein darin, dass für den haftpflichtigen Versicherer bei Annahme der sofortigen Fälligkeit das Insolvenzrisiko höher ist. Denn der Geschädigte könnte in den 100-%-Fällen geneigt sein, stets den gegenüber dem Wiederbeschaffungsaufwand höheren Reparaturaufwand zu beanspruchen unabhängig davon, ob er die Weiternutzung für einen Zeitraum von sechs Monaten tatsächlich beabsichtigt. Der Versicherer hat in diesen Fällen eben nicht – wie in den 130-%-Fällen – ein Indiz der Investition in eine Reparatur, die an sich wirtschaftlich unvernünftig ist und deren Sinn sich daher regelmäßig nur mit dem Integritätsinteresse erklären lässt.
Allein das höhere Insolvenzrisiko bezogen auf den Geschädigten im Falle der später erforderlichen Rückforderung rechtfertigt hingegen nicht die Verneinung einer sofortigen Fälligkeit bzw. die Annahme einer zusätzlichen Anspruchsvoraussetzung der Weiternutzung. Auch in den 100-%-Fällen gilt die bisherige Rechtsprechung des BGH gleichermaßen, wonach sich der Restwert erst durch die Veräußerung realisiert und er sodann auf den Schaden "anzurechnen" ist. Die "Anrechnung" setzt jedoch logisch voraus, dass zuvor ein höherer Anspruch bestanden hat, auf den "angerechnet" wird.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass der BGH in den 100-%-Fällen noch nicht von einem wirtschaftlichen Totalschaden ausgeht, obwohl der Reparaturaufwand bereits über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegt. Dementsprechend behandelt der BGH die 100-%-Fälle hinsichtlich der Geltendmachung des oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwandes, jedoch noch unterhalb des Wiederbeschaffungswertes liegenden Reparaturaufwandes grundsätzlich großzügiger als die 130-%-Fälle. Aus diesem Grunde würde die Verneinung einer sofortigen Fälligkeit bzw. die Annahme der Weiternutzung als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung im Gegensatz zu den 130-%-Fällen zu einem Wertungswiderspruch führen.
Daher ist von einer Übertragbarkeit der Grundsätze der vorliegenden Entscheidung des BGH auch auf die 100-%-Fälle auszugehen.