Der zeitnahe Nachweis der ersten beiden vorgenannten Voraussetzungen bereitete regelmäßig keine besonderen Probleme: Das Vorliegen eines 130-%-Falles wird durch das Sachverständigengutachten festgestellt, die Durchführung einer vollständigen und fachgerechten Reparatur durch Vorlage einer Reparaturrechnung oder Nachbesichtigung durch den Sachverständigen (bei Reparatur in Eigenregie).
In der Praxis erhebliche Probleme bereitete hingegen die dritte Voraussetzung, nämlich die Weiternutzung des Fahrzeugs für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nach dem Unfall.
1. Position der Schädigerseite
So wies der Haftpflichtversicherer des Schädigers regelmäßig nicht ganz zu Unrecht darauf hin, dass sich das Vorliegen dieser Voraussetzung erst nach Ablauf dieser Sechsmonatsfrist abschließend beurteilen lasse. Dementsprechend wurde häufig trotz nachgewiesener höherer tatsächlich entstandener Reparaturkosten zunächst nur nach dem Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) abgerechnet. Dies entspricht demjenigen Betrag, auf den die Ersatzpflicht beschränkt ist, wenn das Fahrzeug nicht mindestens sechs Monate weitergenutzt wird. Verbunden wurde diese (Teil-) Regulierung meist mit dem Hinweis, dass der Ersatz der Differenz zum Reparaturaufwand dann nachreguliert werde, wenn die erforderliche Weiternutzung fest stehe, d.h. der Geschädigte nach Ablauf der Sechsmonatsfrist nachweise, noch immer im Besitz des Fahrzeugs zu sein.
2. Position des Geschädigten
Aus Sicht des Geschädigten bedeutete diese Regulierungspraxis, dass er selbst dann, wenn für ihn der Entschluss zur Weiternutzung für mindestens sechs Monate bereits auf Grund der Reparatur fest stand, sich zunächst mit einer Teilregulierung zufrieden geben sollte. Diese führte insbesondere dazu, dass die Reparaturkosten in Höhe der noch nicht regulierten Differenz zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Reparaturaufwand, die auf Grund der Nichtberücksichtigung des Restwertes bei der 130-%-Grenze eine ganz erhebliche Summe erreichen kann, vom Geschädigten vorfinanziert werden musste. Einem Geschädigten, der hierzu finanziell nicht in der Lage ist, wäre somit eine Abrechnung nach der 130-%-Rechtsprechung endgültig versagt, denn mangels finanzierbarer Reparatur könnte er die Voraussetzungen der Weiternutzung nicht herbeiführen und würde dadurch auch niemals den Reparaturaufwand ersetzt erhalten können; er befände sich in einem "Teufelskreis".
3. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte
Auf Grund dieser durchaus subjektiv nachvollziehbaren Argumente beider Seiten war auch die Rechtsprechung der Instanzgerichte entsprechend geteilt mit gleichermaßen kontroversen Stimmen in der Literatur. So wurde sowohl die sofortige Fälligkeit des höheren Anspruchs auf Ersatz des Reparaturaufwandes als auch eine Fälligkeit der Differenz zum Wiederbeschaffungsaufwand erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist vertreten.
4. Die bisherige Rechtsprechung des BGH
Obwohl sich der BGH bis zur Entscheidung vom 18.11.2008 nicht explizit zur Frage der Fälligkeit geäußert hatte, ließen sich in seiner Entscheidung vom 23.5.2006 doch Anhaltspunkte finden. Danach stellt im Falle der Weiternutzung des Fahrzeugs der Restwert, wenn und solange der Geschädigte ihn nicht realisiert, lediglich einen hypothetischen Rechnungsposten dar, der sich in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf. Zudem weist der BGH darauf hin, dass der Geschädigte im Falle des Weiterverkaufs seines Fahrzeugs vor Ablauf von sechs Monaten sein Integritätsinteresse aufgibt und durch den Verkauf den Restwert seines Fahrzeugs mit der Folge realisiert, "dass er sich diesen grundsätzlich anrechnen lassen muss" [Hervorhebung durch Autor]. Diese Ausführungen sprechen für eine sofortige Fälligkeit des höheren Anspruchs, da zum einen ohne den zu...