1. 130-%-Fälle
a) Konkrete Abrechnung der Reparaturkosten durch Vorlage einer Reparaturrechnung
Die Entscheidung des BGH betrifft einen 130-%-Fall mit konkreter Abrechnung der Reparaturkosten. Daher ist bei dieser Fallgestaltung von einer sofortigen Fälligkeit des Ersatzanspruchs in Höhe der Reparaturkosten auszugehen.
b) Fiktive Abrechnung auf Grund Reparatur in Eigenregie
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist der Geschädigte in den 130-%-Fällen auch dann zur Geltendmachung des vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturaufwandes berechtigt, wenn er zwar keine Reparaturrechnung vorlegt, jedoch die – in der Regel in Eigenregie erfolgte – vollständige und fachgerechte Reparatur auf anderem Wege nachweist. Dies geschieht regelmäßig im Wege einer Nachbesichtigung durch den Sachverständigen.
Der BGH stellt in der Begründung seiner Entscheidung vom 18.11.2008 sowohl auf die grundsätzliche Dogmatik der im Zweifel sofortigen Fälligkeit eines Schadensersatzanspruchs als auch darauf ab, dass der Geschädigte durch die Wiederherstellung seines beschädigten Kraftfahrzeugs den Willen zur Weiternutzung zunächst ausreichend belegt habe. Da auch bei der Reparatur in Eigenregie das Fahrzeug vollständig und fachgerecht instandgesetzt wird, bestehen keine Zweifel an einer Übertragbarkeit der Entscheidung auf die 130-%-Fälle, in denen die Reparatur in Eigenregie ohne konkrete Abrechnung der Reparaturkosten unter Vorlage einer Reparaturrechnung erfolgt. In diesen Fällen ist folglich in der Regel von einer sofortigen Fälligkeit des vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturaufwandes (allerdings mangels Nachweises der Entstehung netto ohne MwSt.) auszugehen.
2. 100-%-Fälle
In den Fällen, in denen der Reparaturaufwand zwar über dem Wiederbeschaffungsaufwand, jedoch noch unter dem Wiederbeschaffungswert liegt (sog. 100-%-Fälle), kann der Geschädigte entweder konkret den tatsächlichen Reparaturaufwand abrechnen. In diesem Fall kommt es nicht auf die Weiternutzung an. Oder er nutzt das Fahrzeug für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nach dem Unfall weiter. Der BGH verlangt in diesem Fall lediglich eine ggf. zur Wiederherstellung des Fahrzeugs erforderliche Teilreparatur, ohne dass es auf die Qualität dieser Reparatur ankommt. Fraglich ist, ob auch dann von der sofortigen Fälligkeit des fiktiv abzurechnenden Reparaturaufwandes auszugehen ist.
Der BGH begründet die Annahme, dass es sich bei der Sechsmonatsfrist um keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung handelt, mit verschiedenen Argumenten. Die grundsätzlichen Erwägungen des BGH zur Dogmatik der Fälligkeit, wonach bei einem Schadensersatzanspruch die Fälligkeit des gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrages nach § 271 Abs. 1 BGB in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung eintritt, lassen sich unmittelbar auch auf die 100-%-Fälle übertragen.
Allein der Hinweis des BGH, wonach durch die Wiederherstellung des Fahrzeugs durch den Geschädigten dessen Wille zur Weiternutzung zunächst ausreichend belegt sei, lässt sich regelmäßig nicht auf die 100-%-Fälle übertragen, da bei letzteren grundsätzlich gerade keine Wiederherstellung erfolgt. Eine Ausnahme stellen die Fälle einer im Einzelfall zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit erforderlichen Teilreparatur dar. Bei dieser Konstellation lässt sich die Argumentation des BGH unmittelbar dergestalt übertragen, dass der Geschädigte in den 100-%-Fällen durch die Wiederherstellung der Verkehrssicherheit seinen Willen zur Weiternutzung zunächst ausreichend belegt, da auch die Teilreparatur anderenfalls wenig sinnvoll erscheint.
Doch auch in den übrigen 100-%-Fällen, in denen keinerlei Reparatur erfolgt, beanspruchen die weiteren Argumente des BGH zur dogmatisch grundsätzlich anzunehmenden sofortigen Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs gleichermaßen Geltung. Auch ohne das zusätzliche Argument des zunächst durch die Reparatur belegten Willens zur Weiternutzung führt die vom BGH vorgenommene Argumentationskette zur sofortigen Fälligkeit. Die Weiternutzung stellt danach keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung dar, sondern entfaltet allein eine beweismäßige Bedeutung.
Der Unterschied zum 100-%-Fall, in dem nicht repariert wird, besteht allein darin, dass für den haftpflichtigen Versicherer bei Annahme der sofortigen Fälligkeit das Insolvenzrisiko höher ist. Denn der Geschädigte könnte in den 100-%-Fällen geneigt sein, stets den gegenüber dem Wiederbeschaffungsaufwand höheren Reparaturaufwand zu beanspruchen unabhängig davon, ob er die Weiternutzung für einen Zeitraum von sechs Monaten tatsächlich beabsichtigt. Der Versicherer hat in diesen Fällen eben nicht – wie in den 130-%-Fällen – ein Indiz der Investition in eine Reparatur, die an sich wirtschaftlich unvernünftig ist und deren Sinn sich daher regelmäßig nur mit dem Integritätsinteresse erklären lässt.
Allein das höhere Insolvenzrisiko bezogen auf den Geschädigten im Falle der später erforderlichen Rückforderung rechtfertigt hingegen ni...