1 Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen wurde.
2 Am 29. Oktober 2004 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Beklagten mit, dass der Kläger 21 Punkte im Verkehrszentralregister erreicht habe. Darauf entzog der Beklagte dem Kläger, gestützt auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG, mit Bescheid vom 25.11.2004 die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 und untersagte ihm das Führen von Kraftfahrzeugen dieser Klassen. Hiergegen legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch ein.
3 Aus einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts an den Beklagten vom Oktober 2005 ergab sich, dass das Punktekonto des Klägers im Verkehrszentralregister nach einer Tilgung von Verstößen nur noch mit 10 Punkten belastet sei.
4 Mit Widerspruchsbescheid vom 24.1.2006 wies das Regierungspräsidium K. den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus: Zwar seien nun nur noch Verstöße im Verkehrszentralregister eingetragen, die zusammen 10 Punkte ergäben. Doch folge aus dem anzuwendenden materiellen Recht, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung auf den Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe abzustellen sei, nachträgliche Änderungen blieben unberücksichtigt.
5 Die Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urt. v. 11.6.2007 [VG 6 K 563/06] abgewiesen. Zur Begründung heißt es: Abweichend vom Regelfall komme es für die Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem allein auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung an. In § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG sei unmissverständlich geregelt, dass ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergäben. In einem solchen Fall solle nach dem erkennbaren Gesetzeszweck möglichst schnell und gem. § 4 Abs. 10 StVG jedenfalls für die Dauer von sechs Monaten der Ausschluss von der Teilnahme am Kraftfahrverkehr erfolgen. Auch nach Ablauf dieser sechs Monate solle der Betroffene nicht ohne Weiteres wieder ein Kfz führen dürfen, vielmehr habe er in der Regel ein Gutachten über seine Fahreignung beizubringen. Dass es dem Gesetzgeber um eine schnell durchzusetzende Maßnahme gehe, zeige § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hätten. Dieser gesetzlichen Systematik widerspräche es, wenn im Laufe des Widerspruchsverfahrens eingetretene Veränderungen zugunsten des Fahrerlaubnisinhabers berücksichtigt würden und er allein deshalb von einer Fahrerlaubnisentziehung verschont bliebe. Auch könnte der Fahrerlaubnisinhaber dann durch das Einlegen eines Widerspruchs und eine eventuelle Verzögerung des Widerspruchsverfahrens die Punktzahl zu seinen Gunsten beeinflussen.
6 Mit seiner Sprungrevision macht der Kläger geltend: Grundsätzlich sei die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung zu beurteilen. Ausnahmen gebe es dann, wenn das materielle Recht dies anordne. Dem Wortlaut von § 4 Abs. 3 StVG könne nicht entnommen werden, dass die Löschung von Punkten im Verkehrszentralregister während eines Verwaltungsverfahrens ohne Einfluss auf die Beurteilung der Fahreignung sei. Selbst wenn der Gesetzgeber gewollt habe, dass eine Kumulation von Verkehrsverstößen und damit Punkten die Vermutung mangelnder Fahreignung begründe, so komme dies im Gesetzestext doch nicht mit der notwendigen Deutlichkeit zum Ausdruck. Das Mehrfachtäter-Punktsystem sehe vor, dass Punkte durch bestimmte Maßnahmen und durch Zeitablauf entfielen und sich das auf die Beurteilung der Kraftfahreignung auswirke. Bereits wegen dieser im Gesetz selbst angelegten Dynamik lasse sich § 4 StVG nicht entnehmen, dass eine mangelnde Eignung beim Erreichen von 18 oder mehr Punkten starr und für die Zukunft unabänderbar feststehe. Außerdem habe der Bürger einen Anspruch darauf, dass die Widerspruchsbehörde die Ausgangsentscheidung eigenständig überprüfe. Dies sei nur gewährleistet, wenn die Widerspruchsbehörde auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung abstelle. Der vom Gesetzgeber angeordnete Sofortvollzug stehe der Annahme nicht entgegen, dass der Adressat einer Fahrerlaubnisentziehung die zwischenzeitlich verlorene Kraftfahreignung durch eine Tilgung von Punkten wiedergewinnen könne.