VVG § 6 Abs. 3
Leitsatz
Der Versicherer ist leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer in einer Schadensanzeige wahrheitswidrig angibt, in seiner Garage eine Kollision beim Abrutschen vom Bremspedal erlitten zu haben, während die Aufprallgeschwindigkeit in Wahrheit 15 bis 17 km/h betragen hatte.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.9.2008 – 3 U 27/08
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „… Die Beklagte ist nach § 7 Abs. 1 S. 3, Abs. 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei. …
2. Dem Kläger ist eine vorsätzliche Verletzung seiner Aufklärungsobliegenheit anzulasten.
Er hat seine Aufklärungsobliegenheit objektiv verletzt, indem er in der Schadensanzeige v. 4.11.2006 in Kenntnis der Schadenshergangs hierüber unzutreffende Angaben gemacht hat.
a) In der Schadensschilderung hat der Kläger angegeben, beim Abrutschen vom Bremspedal sei es zur Kollision mit dem Rasenmäher kommen. Diese Aussage ist in erheblichem Maße irreführend und unvollständig, ohne dass die Beklagte dies erkennen konnte und deswegen hätte nachfragen können. Der Kläger, ein Dipl.-Ingenieur, hat als Schadensursache lediglich das Abrutschen vom Bremspedal und damit das Nachlassen der Bremswirkung angegeben. Die Beklagte musste bei dieser Angabe und angesichts der Unfallskizze zwingend davon ausgehen, dass der Kläger sich zum Zeitpunkt des Abrutschens vom Bremspedal mit seinem Pkw innerhalb der Garage höchstens mit Schrittgeschwindigkeit fortbewegte, wie er es im Übrigen auch selbst gegenüber dem LG angegeben hat, und dass er das nach seiner Unfallskizze bereits unmittelbar herangerückte Hindernis allenfalls mit dieser Geschwindigkeit getroffen haben konnte.
Demgegenüber betrug die Kollisionsgeschwindigkeit tatsächlich 15 bis 17 km/h. Diese Aufprallgeschwindigkeit ist mit dem Nachlassen der Bremswirkung schlechterdings nicht zu vereinbaren. Sie ist, wie der Gerichtssachverständige … ausführt, auf der Grundlage der vom Kläger im Prozess angegebenen Ausgangsgeschwindigkeit und Ausgangsposition unter Berücksichtigung der Fahrleistung des Klägerfahrzeugs gerade noch darstellbar, wobei das Fahrzeug dann maximal beschleunigt worden sein müsste. Die danach feststehende Betätigung des Gaspedals mit Maximalbeschleunigung, also mit vollem Durchtreten des Pedals, ist in der Schadensschilderung und in der Schadensskizze nicht einmal andeutungsweise enthalten.
b) Die Kenntnis seiner Betätigung des Gaspedals hat der Kläger nicht wirksam bestritten. Bewusstseinstrübungen oder sonstige Umstände, die der Wahrnehmung des Durchtretens des Gaspedals und der Maximalbeschleunigung seines Sportwagens mit entsprechend ausgeprägten optischen, akustischen und kinästhetischen Reizen entgegen gestanden hätten, sind nicht erwiderungsfähig dargetan. Auch musste dem Kläger auf Grund seiner von ihm selbst behaupteten Verletzung beim Aufprall die Unvereinbarkeit des Unfallhergangs mit einer bloßen Schrittgeschwindigkeit klar vor Augen stehen.
3. Die gegen ihn streitende gesetzliche Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 S. 1 VVG hat der Kläger nicht zu widerlegen vermocht. …
4. Auch die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung stehen der Leistungsfreiheit nicht entgegen.
Das vom Kläger unterzeichnete Schadensanzeigenformular enthält direkt über der Unterschriftsleiste den ordnungsgemäßen Hinweis auf den Verlust seines Versicherungsschutzes durch eine bewusst unwahre Angabe auch bei fehlendem Nachteil für den Versicherer.
Falsche Angaben zum Schadenshergang, wie hier, sind generell geeignet, die berechtigten Interessen des Versicherers in ernster Weise zu gefährden. Sie können die Beurteilung der Leistungsfreiheit des Versicherers wegen vorsätzlicher oder grobfahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer (§ 61 VVG a.F.) vereiteln oder nachhaltig erschweren. Bei einer so erheblichen Abweichung zwischen den Angaben des Versicherungsnehmers und der Wirklichkeit wie im vorliegenden Fall, in dem der Kläger ein Abrutschen vom Bremspedal angegeben hat, nicht aber sein Durchtreten des Gaspedals, liegt auch ein erhebliches Verschulden auf der Hand.
Ein minderschweres Verschulden, für dessen Vorhandensein der Versicherungsnehmer beweispflichtig ist, könnte nur angenommen werden bei einem Verhalten, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufbringen würde (BGH VersR 1977, 1021, 1022). Der Unterschied zwischen einem Abrutschen vom Bremspedal und der Maximalbeschleunigung beim Durchtreten des Gaspedal sowie dessen Anzeigepflicht in einem vollständig abzufassenden Schadensformular ist einem ordentlichen Versicherungsnehmer bewusst und eine davon abweichende Darstellung, ohne einen greifbaren Hinweis auf das tatsächliche Gesehen, kann ihm nicht leicht unterlaufen. Der Hinweis darauf, dass er versehentlich auf das Gaspedal geraten ist und den Wagen in einer Fehlreaktion beschleunigt hat, überfordert auch keinen ordentlichen Versicherungsnehmer. Für eine von diesem tatsächlichen Geschehen...