a) Von großer Bedeutung für das Schadensersatzrecht ist die Verteilung der Beweislast, weil sie die Haftung steuern kann. Grundsätzlich muss der Geschädigte das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch beweisen. Im heutigen Rahmen kann ich die von der Rechtsprechung für besondere Fallgruppen wie die Arzthaftung oder Produkthaftung entwickelten Beweiserleichterungen beiseite lassen. Hier kommt eher der Anscheinsbeweis in Betracht, dessen Voraussetzungen Herr Zoll im letzten Jahr erläutert hat. Deshalb hier nur der Hinweis, dass beim Zusammenstoß zwischen einem nach links abbiegenden und einem in Gegenrichtung geradeaus fahrenden Kfz der Anscheinsbeweis für das Verschulden des Abbiegenden sprechen kann. Zur Beweislast gibt es ein neues Urt. v. 30.10.2007, das eine tätliche Auseinandersetzung betrifft. Ist streitig, welche Schadensfolgen die einzelnen Verletzungshandlungen nach sich gezogen haben und sind nur einige dieser Handlungen durch Notwehr gerechtfertigt, so muss der Geschädigte beweisen, dass gerade die Verletzungshandlung für die Entstehung seines Schadens ursächlich war, deretwegen sich der Verteidiger nicht auf Notwehr berufen kann.
b) Die Beweislast ist Vorfrage für die richterliche Überzeugungsbildung. Bei dieser ist streng zu unterscheiden, ob sie die haftungsbegründende Kausalität betrifft, also den Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der Rechtsgutsverletzung oder die sog. haftungsausfüllende Kausalität, nämlich den Zusammenhang zwischen Rechtsgutsverletzung und dem daraus hergeleiteten Schaden. Im ersteren Fall gilt das Beweismaß des § 286 ZPO, so dass der Beweis zur vollen Überzeugung des Gerichts geführt werden muss, während im zweiten Fall die erleichterte Beweisführung nach § 287 ZPO und damit je nach Lage des Einzelfalls eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit ausreicht. Hier unterlaufen den Gerichten immer wieder Fehler, so dass der Bundesgerichtshof häufig Anlass hat, diesen Unterschied und das unterschiedliche Beweismaß der § 286 und § 287 ZPO zu erläutern. Worauf es hier ankommt, zeigen zwei Sudeck-Fälle unterschiedlicher Art. In einem Fall war ein Morbus Sudeck als Folge eines Verkehrsunfalls geltend gemacht worden. Damit ging es um die haftungsbegründende Kausalität, so dass das Beweismaß des § 286 ZPO galt. Dass der Geschädigte wegen der Besonderheiten dieser Erkrankung den Beweis nach diesem Maßstab nicht führen konnte, rechtfertigte es nicht, das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO anzuwenden. Im zweiten, ganz neuen Fall war der Morbus Sudeck nach dem Klägervortrag infolge einer ärztlichen Fehlbehandlung und der damit hervorgerufenen Gesundheitsbeeinträchtigung eingetreten. Damit machte der Kläger einen Sekundärschaden geltend, so dass hier zum Nachweis des Ursachenzusammenhangs das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO ausreichte.
c) Häufiger als ein Morbus Sudeck wird als Unfallfolge eine HWS-Verletzung geltend gemacht. Ich habe diesen Komplex schon angesprochen und möchte nur noch die Frage aufgreifen, wann es für die richterliche Überzeugungsbildung eines Gutachtens bedarf. Ein kritischer Punkt ist die sog. Harmlosigkeitsgrenze, also eine besonders niedrige Auffahrgeschwindigkeit, die nach einigen Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum die Entstehung eines HWS-Schadens ausschließen soll. Demgegenüber hat der Senat mit Urt. v. 28.1.2003 klar gestellt, dass eine niedrige Auffahrgeschwindigkeit die tatrichterliche Überzeugungsbildung von der Ursächlichkeit des Auffahrens für einen HWS-Schaden nicht ausschließt. Das bedeutet, dass es eine Harmlosigkeitsgrenze in diesem Sinn nicht gibt, sondern der Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung – etwa im Weg des Ausschlusses anderer Ursachen – durchaus zu der Feststellung gelangen kann, dass als einzig realistische Ursache für die Beschwerden des Geschädigten der fragliche Unfall in Betracht kommt.
Dieses Urteil hat zu einer gewissen Beruhigung der Diskussion beigetragen, konnte aber natürlich die komplexe Problematik noch nicht erschöpfen. Da manche Gerichte zum Unfallhergang nur ein biomechanisches Gutachten einholen, ist mehrfach mit der Revision beanstandet worden, dass kein fachmedizinisches Gutachten eingeholt worden ist. Ein kürzlich entschiedener Fall betraf einen Auffahrunfall, bei dem das Berufungsgericht nach Einholung eines biomechanischen Gutachtens den Nachweis des Ursachenzusammenhangs als nicht geführt angesehen hat, obwohl es die von der Klägerin geklagten Beschwerden als wahr unterstellt und auch keine andere Ursache hierfür gesehen hat. Das hielt der Revision nicht stand, weil der biomechanische Sachverständige die Ursächlichkeit auf Grund der niedrigen Auffahrgeschwindigkeit verneint hatte. Da die Klägerin sich aber zu deren Beweis auf ein fachmedizinisches Gutachten berufen hatte, hätte dieses eingeholt werden müssen. Seine Ablehnung bedeutete eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung, weil ein s...