I. § 254 Abs. 1 und Abs. 2 BGB
Beim heutigen Thema denkt der Ziviljurist zunächst an § 254 BGB. Nach § 254 Abs. 1 BGB hängt es bei mitwirkendem Verschulden des Geschädigten von einer Abwägung der Verursachungsanteile ab, ob und in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch besteht. § 254 Abs. 2 BGB stellt den Fall unterlassener Schadensabwendung der Mitverursachung nach Absatz 1 gleich und begründet eine Verpflichtung, die Schadensfolgen zu begrenzen. Diese sog. Schadensminderungspflicht berührt sich mit § 249 Abs. 2 BGB, wonach der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen kann. Die Regelung in § 249 BGB und die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB sind aber strikt voneinander zu unterscheiden. § 254 Abs. 2 BGB regelt, für welchen Schadensumfang der Ersatzpflichtige dem Grunde nach Schadensersatz leisten muss; § 249 Abs. 2 BGB betrifft hingegen nur die Bemessung des Geldbetrags, den der Geschädigte zur Beseitigung des Schadens aufzubringen hat, zu dessen Ersatz er grundsätzlich verpflichtet ist. Dies ist wegen der unterschiedlichen Beweislast von erheblicher Bedeutung. Anders als bei § 249 BGB handelt es sich bei § 254 BGB um eine Einwendung gegen die Schadensersatzpflicht bzw. deren Höhe. Die für ein Mitverschulden maßgeblichen Umstände sind daher im Unterschied zur Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB grundsätzlich vom Ersatzpflichtigen darzulegen und zu beweisen. Dies wird zum Beispiel bei den Streitigkeiten zur Ersatzfähigkeit von Unfallersatztarifen häufig verkannt.
Für die Schadensminderungspflicht gilt generell § 254 Abs. 2 BGB. Dies ist bei der für die Mitverantwortung bei der Entstehung des Schadens maßgeblichen Grundnorm des § 254 Abs. 1 BGB nicht der Fall. § 254 Abs. 1 BGB wird bei Verkehrsunfällen wegen der Gefährdungshaftung durch eine Reihe von Sondervorschriften verdrängt. Hier sind insbesondere folgende zu nennen: § 17 StVG für Ansprüche zwischen den Haltern mehrerer Kraftfahrzeuge oder für Ansprüche eines Kfz-Halters gegen einen Tierhalter oder Eisenbahnunternehmer, § 18 StVG für Ansprüche eines Kfz-Führers, § 13 HaftpflG für Ansprüche eines Bahnunternehmers sowie die §§ 9 StVG und 4 HaftpflG für Ansprüche von Radfahrern oder Fußgängern bei einer Schädigung durch ein Kraftfahrzeug oder eine Bahn. Für die Mitverantwortung bei der Entstehung des Schadens hat § 254 Abs. 1 BGB in der Verkehrsunfallhaftung also vor allem dann eine unmittelbare Bedeutung, wenn ein Unfall zwischen nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern stattgefunden hat oder eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliegt.
II. Mitwirkende Betriebsgefahr
Entscheidende Voraussetzung für die Kürzung der Ersatzansprüche wegen einer mitwirkenden Betriebsgefahr – etwa nach § 17 StVG oder § 13 HaftpflG – ist, dass nicht nur den Schädiger, sondern auch den Geschädigten eine Gefährdungshaftung für einen Fremdschaden treffen würde. Eine mitwirkende Betriebsgefahr kann in solchen Fällen auch angerechnet werden, wenn zwar den schädigenden Kraftfahrer ein Verschulden trifft, nicht aber den verletzten Kraftfahrer. Voraussetzung ist nur, dass grundsätzlich auch der Geschädigte aus Gefährdungshaftung in Anspruch genommen werden könnte, wenn nicht ihm, sondern dem Anderen ein Schaden entstanden wäre. Die Gefährdungshaftung ist in ihren Wirkungen bei der Schadensverursachung einem schuldhaften Verhalten gleichgestellt. Deshalb entspräche es nicht der Billigkeit, den beklagten Schädiger, der aus Verschulden und Gefährdung als Kraftfahrzeughalter haftet, den gesamten Schaden tragen zu lassen, wenn der Geschädigte den Schaden zwar schuldlos, aber dennoch in einer Weise mit verursacht hat, die ihn – wäre einem Dritten der Schaden entstanden – verpflichtete, im Innenverhältnis zu dem anderen Halter einen Teil des Schadens mitzutragen.
In der Praxis wird z.T. nicht beachtet, dass bei der Abwägung der Verursachungsteile nur solche Umstände berücksichtigt werden dürfen, die positiv festgestellt sind. Für die Gefährdungshaftung bedeutet dies, dass derjenige, der sich auf eine mitwirkende Betriebsgefahr beruft, grundsätzlich das Vorliegen der Voraussetzungen des Gefährdungshaftungstatbestands beweisen muss und erst dann der Entlastungsbeweis – etwa nach § 7 Abs. 2 StVG wegen Vorliegens einer höheren Gewalt oder § 17 Abs. 3 StVG wegen eines unabwendbaren Ereignisses – dem Geschädigten obliegt. Nach dem allgemeinen Grundsatz dürfen auch Umstände, welche die Betriebsgefahr erhöhen, nur berücksichtigt werden, wenn sie positiv festgestellt sind.