Richtlinie 91/439/EWG Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 8 Abs. 2 und 4; Richtlinie 2006/126/EG Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und b, Art. 11 Abs. 4, Art. 13 Abs. 2; FeV § 28 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3, Sätze 2 und 3, Abs. 5
Gem. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG werden zwar die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt. Abweichend hiervon bestimmt aber Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ablehnt, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaates entzogen worden ist. Die Anwendbarkeit des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG wird nicht durch deren Art. 13 Abs. 2 ausgeschlossen, wonach eine vor dem 19.1.2013 erteilte Fahrerlaubnis auf Grund der Bestimmungen dieser Richtlinie weder entzogen noch in irgendeiner Weise eingeschränkt werden darf.
Für eine enge Auslegung des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG i.S.d. Entscheidungen des EuGH zu Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 91/439/EWG ist kein Raum. Dies ergibt sich auch aus dem Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 2006/126/EG, wonach die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus Gründen der Verkehrssicherheit die Möglichkeit haben sollen, ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung, die Erneuerung und die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf jeden Führerscheininhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat (vgl. BR-Drucks 851/08).
(Leitsätze der Schriftleitung)
BayVGH, Beschl. v. 10.11.2009 – 11 CS 09.2082
[1] Der 1983 geborene Antragsteller wendet sich gegen den Sofortvollzug der Feststellung, dass er nicht berechtigt ist, von seiner am 7.4.2009 erworbenen tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, und den Sofortvollzug der entsprechenden Vorlageanordnung.
[2] Das Landratsamt R. entzog dem Antragsteller mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 18.4.2007 wegen Führens eines Kfz unter Drogeneinfluss (Cannabis, THC: 2,2 ng/ml; THC-COOH: 21 ng/ml) die Fahrerlaubnis der Klassen A1 und B. Im Verkehrszentralregister sind diese Fahrerlaubnisentziehung und zwei Ordnungswidrigkeiten wegen Führens eines Kfz unter Wirkung eines berauschenden Mittels mit Fahrverboten bis 11.1.2007 und 19.8.2007 eingetragen.
[3] Im Mai 2009 erfuhr der Antragsgegner durch eine Mitteilung des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit, dass der Antragsteller im Besitz einer tschechischen Fahrerlaubnis für die Führerscheinklasse B ist, die am 7.4.2009 durch die Stadt Most erteilt wurde. In Feld 8 des entsprechenden Führerscheins ist als Wohnsitz Most eingetragen. Nach der Mitteilung des Gemeinsamen Zentrums hat der Antragsteller im Zeitraum vom 24.2.2009 bis 6.8.2011 vorübergehend Aufenthalt in der Tschechischen Republik. Seine Adresse dort lautet: 43401 Most, … .
[4] Mit Bescheid vom 12.6.2009 stellte der Antragsgegner fest, dass der Antragsteller nicht berechtigt ist, von seiner tschechischen EU-Fahrerlaubnis, ausgestellt am 7.4.2009, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (Nr. 1), forderte ihn zur unverzüglichen Vorlage des Führerscheins auf (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 3) und drohte für den Fall der Nichterfüllung der Nr. 2 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 500 EUR an (Nr. 4). Die in der Tschechischen Republik erworbene Fahrerlaubnis berechtige nicht zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet, da gegen den Antragsteller zuvor im Inland eine der in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV genannten Maßnahmen verhängt worden und die entsprechende Eintragung im Verkehrszentralregister noch nicht getilgt sei. Eine Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis nach § 28 Abs. 5 FeV sei nicht erfolgt.
[5] Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 8.7.2009 Klage zum VG Regensburg und beantragte gleichzeitig, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 12.6.2009 wiederherzustellen. Die vorliegende Maßnahme sei europarechtswidrig, weil sich aus Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG entnehmen lasse, dass eine vor dem 19.1.2013 erteilte Fahrerlaubnis auf Grund der Bestimmungen dieser Richtlinie weder entzogen noch in irgendeiner Weise eingeschränkt werden dürfe. Durch die erneute Führerscheinprüfung und Eignungsprüfung in Tschechien mit der anschließenden Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis am 7.4.2009 habe er den Beweis erbracht, dass er grundsätzlich geeignet sei, ein Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen.
[6] Das VG Regensburg stellte mit Beschl. v. 7.8.2009 [Az.: RN 5 S 09.1175] die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 12.6.2009 bezüglich der Nrn. 1 und 2 wieder her und ordnete sie bezüglich der Nr. 4 an. Nach summarischer Prüfung lasse sich nicht feststellen, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, ...