ARB 1994 § 5 Abs. 1a S. 1, Abs. 2a; ZPO §§ 78 Abs. 4, 91 Abs. 2 S. 3 ZPO
Leitsatz
Das in § 5 (1)a S. 1 ARB 94 enthaltene Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers erfasst auch die Rechtsanwaltsvergütung, die durch die Selbstvertretung eines versicherten Rechtsanwalts in einem Zivilrechtsstreit entsteht.
BGH, Urt. v. 10.11.2010 – IV ZR 188/08
Sachverhalt
Zwischen der Kl. und der Rechtsvorgängerin der Bekl. bestand ein Mieter-Rechtsschutzversicherungsvertrag, für den die ARB 1994 galten. In diesem Vertrag war der Ehemann der Klägerin., der Kl., mit versichert. Dieser ist Rechtsanwalt. Wegen Mängeln des von beiden Kl. bewohnten Hauses betrieb der Kl. selbst einen Rechtsstreit und vier selbstständige Beweisverfahren, in denen er als sich selbst vertretender Anwalt als alleiniger Kl. bzw. Antragsteller auftrat. Der in diesen Verfahren in Anspruch genommene Antragsgegner bzw. Beklagte war dem hiesigen Kl. zur Kostenerstattung nicht verpflichtet. Für die ersten drei Verfahren hatte die Rechtsvorgängerin der Bekl. Deckungszusage erteilt und insgesamt 6.379,04 EUR gezahlt. Mit der vor dem LG Stuttgart erhobenen Klage verlangten beide Kl. von der Bekl. die Zahlung weiterer Gerichtskosten, Sachverständigenvergütung und der für die Vertretung in eigener Sache angefallener Anwaltskosten i.H.v. 23.771,72 EUR. Das LG Stuttgart hat die Klage abgewiesen. Das OLG Stuttgart, dessen Entscheidung in zfs 2008, 650 mit Anm. Hansens veröffentlicht ist, hat die Beklagte auf die Berufung der Kl. zur Zahlung weiterer 11.293,94 EUR verurteilt, die weitergehende Berufung beider Kl. hingegen zurückgewiesen. Hiergegen haben beide Kl. die zugelassene Revision eingelegt. Der Kl. hat seine Revision zurückgenommen. Die von der Kl. nach teilweiser Rücknahme ihres Rechtsmittels weiter verfolgte Revision hatte z.T. Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[12] 1. Ob der Rechtsschutzversicherer auch Rechtsverfolgungskosten aus einer solchen Selbstvertretung zu erstatten hat, hängt von der Auslegung der maßgeblichen Versicherungsbedingungen ab. Die hier vereinbarten ARB 94 enthalten u.a. folgende Klauseln:
"§ 1 Aufgaben der Rechtsschutzversicherung"
Der Versicherer sorgt dafür, daß der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann, und trägt die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten (Rechtsschutz).
…
§ 5 Leistungsumfang
(1) Der Versicherer trägt
a) bei Eintritt des Rechtsschutzfalles im Inland die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts. …
(2)
a) Der Versicherungsnehmer kann die Übernahme der vom Versicherer zu tragenden Kosten verlangen, sobald er nachweist, daß er zu deren Zahlung verpflichtet ist oder diese Verpflichtung bereits erfüllt hat.
…
§ 17 Verhalten nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles
(1) Wird die Wahrnehmung rechtlicher Interessen für den Versicherungsnehmer nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles erforderlich, kann er den zu beauftragenden Rechtsanwalt aus dem Kreis der Rechtsanwälte auswählen, deren Vergütung der Versicherer nach § 5 Absatz 1 a und b trägt. …“
[13] a) In Lehre und Rspr. war bisher umstritten, ob Selbstvertretungskosten eines versicherten Rechtsanwalts nach diesen Bedingungen erstattet werden müssen.
[14] aa) Für das Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren wird eine solche Verpflichtung des Rechtsschutzversicherers einhellig verneint. Die Strafprozessordnung sieht eine Selbstverteidigung des Rechtsanwalts in der Rolle des Beschuldigten, Angeklagten oder Betroffenen nicht vor. Eine andere Regelung ist – wie das BVerfG inzwischen wiederholt ausgesprochen hat (BVerfGE 53, 207, 214 f.; BVerfG NJW 1998, 2205) – auch nicht von Verfassungs wegen geboten, weil sich die Rolle des Beschuldigten oder Betroffenen mit der dem Verteidiger zugeschriebenen Stellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege nicht vereinbaren lässt. Demgemäß schuldet nach ganz herrschender Meinung der Rechtsschutzversicherer keine Erstattung von Verteidigergebühren aus einer Selbstverteidigung des Versicherten (vgl. die Nachweise bei Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 2 ARB 75 Rn 6 und Mathy, r+s 2009, 265, 266 Fn 5 und 6; ferner die Rspr.-Nachweise bei Bauer in Harbauer, ARB 8. Aufl. § 5 ARB 2000 Rn 50). Denn der Rechtsschutzversicherer muss einen Honoraranspruch, der gebührenrechtlich gar nicht entstehen kann, auch nicht erstatten (Mathy a.a.O. S. 267; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 37 Rn 185).
[15] bb) Demgegenüber ist im Zivilverfahren die Selbstvertretung eines Rechtsanwalts auch für den Anwaltsprozess in § 78 Abs. 4 ZPO ausdrücklich zugelassen. Als kostenrechtliche Konsequenz daraus bestimmt § 91 Abs. 2 S. 3 (früher S. 4) ZPO, dass dem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts verlangen könnte. Daher steht einer Erstattungspflicht des Rechtsschutzversicherers hier nicht entgegen, dass e...