StVG § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
Leitsatz
1. Die Maßnahmen, welche die Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 StVG beim Erreichen der dort genannten Punktezahlen zu treffen hat, setzen rechtskräftig geahndete Verkehrsverstöße voraus (Anschluss an BVerwG, Urt. v. 25.9.2008 – 3 C 3.07 [zfs 2009, 113 =] BVerwGE 132,48).
2. Die in § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG normierte unwiderlegliche Vermutung der Fahrungeeignetheit wird bereits durch die Begehung einer zum Erreichen von 18 Punkten führenden weiteren Zuwiderhandlung und nicht erst mit Eintritt der Rechtskraft der die Zuwiderhandlung ahndenden Entscheidung ausgelöst. Dem Fahrerlaubnisinhaber kommt daher die Tilgungsreife von Verkehrsverstößen, die nach Begehung einer solchen weiteren Zuwiderhandlung, aber vor Rechtskraft der die weitere Zuwiderhandlung ahndenden Entscheidung eintritt, nicht zu Gute (Weiterentwicklung der im Urt. des BVerwG v. 25.9.2008 – 3 C 3.07 – a.a.O. aufgestellten Grundsätze; wie BayVGH, Beschl. v. 21.6.2010 -11 CS 10.377 – juris = [zfs 2010, 597]).
3. Hat der Fahrerlaubnisinhaber einen Stand von 18 oder mehr Punkten erreicht, sind nachfolgende Tilgungen – unabhängig davon, ob sie vor oder nach dem Erlass der Entziehungsverfügung eintreten – bei der Anwendung des § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG unberücksichtigt zu lassen (Anschluss an BVerwG, Urt. v. 25.9.2008 – 3 C 21.07 – [zfs 2009, 118 =] BVerwGE 132,57).
4. Allein der Ablauf einer längeren Zeit nach tilgungsbedingter Unterschreitung der zuvor erreichten Schwelle von 18 Punkten führt nicht dazu, dass die in § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG zwingend vorgeschriebene Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr verfügt werden dürfte (wie Beschl. des Senats v. 27.8.2010 – 10 S 1645/10).
VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.12.2010 – 10 S 2053/10
1 Aus den Gründen:
"Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschl. des VG Sigmaringen v. 9.8.2010 [1 K 1531/10] ist zulässig (§§ 146, 147 VwGO) und begründet."
Aus den vom Antragsgegner in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO) ergibt sich, dass der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Verfügung v. 29.3.2010 unbegründet ist. Die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 S. 1 1. Alt. VwGO vorzunehmende Abwägung fällt zu Lasten des Interesses des Antragstellers aus, vom Vollzug der Entziehungsverfügung bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird der Widerspruch des Antragstellers auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG zu Recht erfolgt ist.
Gem. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG gilt der Betroffene, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergeben, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen; die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen. Entgegen der Auffassung des VG liegen die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm vor, da sich für den Antragsteller in dem Zeitraum v. 14.12.2007 bis zum 3.4.2008 19 (bis zum 29.12.2007) bzw. 18 Punkte ergeben haben. Bei der Ermittlung des Punktestands war der mit drei Punkten zu bewertende Geschwindigkeitsverstoß v. 14.12.2007 zu Lasten des Antragsstellers zu berücksichtigen, obwohl der Bußgeldbescheid erst am 20.10.2008 Rechtskraft erlangt hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass am 29.12.2007 bzw. am 3.4.2008 mit einem bzw. drei Punkten bewertete Verkehrsverstöße wegen Ablaufs der absoluten Tilgungsfrist (§ 29 Abs. 6 S. 4 StVG) im Register zu löschen waren. Denn die in § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG normierte unwiderlegliche Vermutung der Ungeeignetheit wird bereits durch die Begehung der weiteren Zuwiderhandlung und nicht erst mit Eintritt der Rechtskraft der die Zuwiderhandlung ahndenden Entscheidung ausgelöst. Dem Fahrerlaubnisinhaber kommt daher die Tilgungsreife von Verkehrsverstößen, die nach Begehung einer weiteren Zuwiderhandlung, aber vor Rechtskraft der die weitere Tat ahndenden Entscheidung eintritt, nicht zu Gute, wenn durch die weitere Tat die Punkteschwelle für die nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG zu verfügende Entziehung der Fahrerlaubnis erreicht wird.
Zu Unrecht leitet das VG aus dem Urt. des BVerwG v. 25.9.2008 (3 C 3.07 – [zfs 2009, 113 =] BVerwGE 132, 48) her, dass das Tattagprinzip nur für die Ermittlung des für einen Punkteabzug und dessen Umfang nach § 4 Abs. 4 StVG maßgeblichen Punktestandes heranzuziehen ist, während es ansonsten bei dem Rechtskraftprinzip bleibe. Entgegen der Auffassung des VG kommt der Entscheidung für das Tattagprinzip nicht nur für die Auslegung des § 4 Abs. 4 StVG, sondern auch für das zutreffende Verständnis der in § 4 Abs. 3 S. 1 StVG getroffenen Regelung Bedeutung zu.
1. Zutreffend ist das VG freilich davon ausgegangen, dass die Maßnahmen, welche die Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 3 StVG beim...