"[4] I. Das BG hat im Wesentlichen ausgeführt:

[5] In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang sei die Berufung zur Entscheidung reif und der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach gerechtfertigt; für eine Endentscheidung fehle bisher mangels Feststellungen zur Höhe des Verdienstausfalls die Entscheidungsreife, sodass durch Grund- und Teilurteil zu entscheiden sei.

[6] Die Verpflichtung des Bekl., den dem Kl. auf Grund der bei seiner Geburt erworbenen Hörschädigung entstandenen Verdienstausfallschaden zu ersetzen, stehe rechtskräftig fest. Nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme sei der Senat nach dem Beweismaß des § 287 ZPO davon überzeugt, dass der Kl. auf Grund des Hörschadens in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang einen Verdienstausfallschaden erlitten habe. Die Prognose der beruflichen Entwicklung des Kl. ohne das Schadensereignis lasse es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen, dass der Kl. ohne die Hörschädigung einen dem Beruf eines nicht akademisch ausgebildeten Kommunikationstechnikers entsprechenden Beruf mit höherer Bezahlung als in dem tatsächlich ausgeübten Tischlerberuf ergriffen und ausgeübt hätte. Bei dem Kl. sei ein ausreichendes Begabungspotenzial vorhanden gewesen. Insoweit könnten die familiären Umstände, nämlich der berufliche Erfolg der Eltern und Geschwister, herangezogen werden. Dem stünden die vorliegenden Sachverständigengutachten nicht entgegen, soweit ihnen zu entnehmen sei, dass die berufliche und ausbildungsbezogene Familienanamnese allein keinen sicheren Rückschluss auf den einen oder anderen Lebensweg einer Person zulasse. Hier gehe es nicht um eine mit wissenschaftlicher Exaktheit zu beantwortende Frage, sondern um eine Schätzung im Gesamtkontext. Die Sachverständige Dr. W habe ausgeführt, dass der Lernerfolg sich im Spannungsfeld zwischen natürlicher Begabung und Umweltgegebenheiten abspiele.

[7] Das Fehlen sog. Schlüsselqualifikationen (Motivation, Fleiß, Anpassungsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit usw.) bei dem Kl. führe nicht zu der Annahme, er hätte auch ohne die Hörschädigung keinen besseren Schulerfolg erzielt, weil bei ihm seit der Geburt eine Halbseitenstörung (motorische Steuerungsbeeinträchtigung der linken Körperhälfte) vorliege, auf Grund derer er in der Entwicklung der Schlüsselqualifikationen erheblich eingeschränkt gewesen sei. Die von dem Bekl. zu vertretende Hörschädigung bleibe mitursächlich für den eingetretenen Schaden, da ihm die Halbseitenstörung in den entscheidenden Jahren die Möglichkeit genommen habe, wie andere Gehörlose oder schwer Hörgeschädigte die Außenkontakte zu intensivieren und auf diese Weise Schlüsselqualifikationen auszuprägen.

[8] Ein Mitverschulden des Kl. und seiner Eltern bei der persönlichen und beruflichen Entwicklung sei, soweit vom Bekl. ausreichend dargelegt, nicht festzustellen.

[9] Die Klage sei unbegründet, soweit der Kl. auf den höheren Verdienst eines Hochschulinformatikers abstelle und Einnahmeausfälle infolge seiner Arbeitslosigkeit verlange.

[10] II. Die dagegen gerichteten Revisionen beider Parteien haben keinen Erfolg.

[11] 1. Die Parteien rügen nicht, dass das BG durch Grund- und Teilurteil entschieden hat. Das ist auch nicht zu beanstanden.

[12] a) Durch das rechtskräftige Urt. des BGs vom 29.4.1992 i.V.m. dem Urt. des LG vom 23.12.1987 ist lediglich festgestellt, dass der Bekl. dem Kl. den Verdienstausfallschaden zu ersetzen hat, der diesem wegen der bei seiner Geburt erlittenen Hörschädigung entstanden ist. Weitere Vorgaben zur Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität ergeben sich daraus nicht.

[13] Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, ob der Kl. ohne den vom Bekl. zu vertretenden Behandlungsfehler einen höher qualifizierten und dotierten Beruf ergriffen hätte und welcher Erwerbsschadensbetrag sich ggf. daraus ergibt. Beide Fragen betreffen die haftungsausfüllende Kausalität. Sie bedürfen aber selbstständiger tatsächlicher Feststellungen. Ist die erste Frage zu verneinen, kommt es auf die zweite Frage nicht mehr an. Bei einer derartigen Sachlage, die bei der Geltendmachung von Erwerbsschäden häufig vorkommt, kann der Erlass eines Grundurteils dazu dienen, die vorrangige Frage durch die Instanzen abschließend zu klären, bevor in eine möglicherweise aufwändige Beweisaufnahme zu der nachrangigen Frage eingetreten wird. Die Voraussetzungen des § 304 ZPO stehen einer solchen Verfahrensweise nicht entgegen. Danach kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden, wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist. Die Vorschrift entspringt prozesswirtschaftlichen Gründen. Bei ihrer Anwendung und Auslegung ist vor allem den Erfordernissen der Prozessökonomie Rechnung zu tragen. Der Erlass eines Grundurteils ist daher unzulässig, wenn dies nicht zu einer echten Vorentscheidung des Prozesses führt. Dieses Kriterium und nicht dogmatische Erwägungen sind deshalb maßgebend dafür, ob in einem Grundurteil nur der materiell-rechtliche Haftungsgrund oder auch die haftungsausfüllen...

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