Die Frage der Ersatzfähigkeit unfallursächlicher Nachteile für Erwerb und Fortkommen des Geschädigten ist Gegenstand der Zurechnung der Folgen haftungsausfüllender Kausalität, da das schädigende Primärereignis und damit die haftungsbegründende Kausalität feststeht (vgl. BGH NJW 1970, 1411, 1412; BGH VersR 1998, 770, 772). Das hat die bedeutsame, dem Geschädigte günstige Folge einer Verminderung seiner Darlegungslast, vor allem aber seiner Beweislast. Nicht mehr muss er Vollbeweis für die unfallbedingten Nachteile erbringen, sondern es reicht zur Bejahung der Ersatzfähigkeit aus, dass er eine "gewisse Wahrscheinlichkeit" für die haftungsausfüllende Zurechnung gem. § 287 ZPO erbringt. Allerdings muss er die tatsächliche Grundlage für die Schätzung darlegen und beweisen (vgl. BGH VersR 1995, 422; BGH VersR 2004, 874, 875; Baumgärtel/Luckey, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., § 842 Rn 1). Darlegungslast wie Beweislast werden allerdings durch § 252 BGB und § 287 ZPO reduziert, indem nur noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit vorliegen muss.
1) Gerade für die Beweisführung eines Verdienstausfalls von Kindern wirkt sich die Beweiserleichterung durch Reduzierung des Beweismaßes aus. Je jünger das geschädigte Kind ist, desto größer sind die Schwierigkeiten einer nachvollziehbaren Schätzung (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 10. Aufl., Rn 173). Zwei Beweiserleichterungen dominieren die Beweiswürdigung:
a) Vermutetes durch das Unfallereignis verhindertes oder beeinträchtigtes Erwerbsstreben
Zunächst legt die Rspr. zu Grunde, dass bei einem jugendlichen Menschen ohne konkrete Anhaftpunkte nicht angenommen werden könne, dass er auf Dauer die ihm gebotenen Möglichkeiten für eine gewinnbringende Tätigkeit ohne das schädigende Ereignis nicht genutzt hätte (vgl. BGH VersR 1997, 366). Die Prognose eines durch das Unfallereignis wenigstens erschwerten Erwerbsstrebens schließt es aus, schlagwortartig die doch Ausnahmefälle darstellenden Existenz-Vorstellungen der "Nullbock-Generation" und der Flucht vor Erwerbstätigkeit als Muster der Lebensführung anzusehen.
b) Keine "Überspannung" der Anfordernden an die Beweisführung
Fast noch bedeutsamer ist das Bestreben der Rspr. zu verhindern, dass an die Schätzungsgrundlagen zu hohe, damit überspannte Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH VersR 2000, 233; BGH VersR 1995, 422, 424; BGH VersR 1993, 1284, 1285; BGH VersR 1992, 973). Hergeleitet wird dieses Gebot – oft unausgesprochen – aus dem Grundsatz der Beweisvereitelung, da dem Schädiger vorgeworfen wird, durch seine Schädigungshandlung zu den Beweisschwierigkeiten beigetragen zu haben, sodass es nachgerade auch treuwidrig erscheint, ihm die Beweisschwierigkeiten des Geschädigten gutzuschreiben.
Wenn die Schätzungsgrundlagen ausnahmsweise keine verlässlich Prognose erlauben sollten, wird dem Geschädigten zugute gehalten, dass er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge gem. § 252 BGB einen durchschnittlichen Erfolg in seiner Tätigkeit erreicht hätte, womit dem Schätzungsbonus ausreichend Rechnung getragen wird (vgl. BGH VersR 2000, 233; BGH VersR 1992, 773).
2) Für kleine Kinder hat sich eine weitere Schätzungsgrundlage durchgesetzt, wobei häufig nicht zu verkennen ist, dass die auch gefühlsbesetzte Konstellation das methodische Vorgehen beeinflusst. Bei Kindern, die etwa bei Geburtsvorgängen geschädigt worden sind oder die bis zum Grundschulabschluss geschädigt wurden, lassen sich verlässliche, nur auf ihrer Person abstellenden Feststellungen zu Begabungen, Leistungsfähigkeiten und Berufsperspektiven nicht gewinnen. Die individuelle Disposition zu bestimmten Leistungen kann bei einem geschädigten Neugeborenen schlechterdings nicht auf dieser Grundlage bestimmt werden, bei kleineren Kindern dürften einigermaßen verlässliche Aussagen hierzu kaum zu gewinnen sein. Da die Begabungsforschung – bei aller unterschiedlicher Akzentuierung – inzwischen die Faktoren der persönlichen ererbten Anlage und die Einflüsse des Milieus der Familie, der gesellschaftlich-kulturellen Umwelt und der Sozialisation in einem Konvergenzsystem sieht, liegt es nahe, dass bei der rechtlichen Bestimmung den durch das Unfallereignis beeinträchtigten Lebenschancen des Kindes Rechnung getragen wird (vgl. auch H. Roth (Hrsg.), Begabung und Lernen, 12. Aufl. passim). Mit dieser Übernahme inzwischen allgemein gebilligter Ansichten zur Entwicklung von Begabungen durch Zusammenwirken innerer Vorbedingungen der ererbten Anlage und der durch die Umgebung bereitgestellter Erziehungsstile, Wertorientierung, Stimulierung des Bildungswillens und gewährter Entfaltungsmöglichkeiten nimmt der Jurist auch nicht, wie es oft auf diesem Gebiet zu beobachten ist, voreilig und unvollständig informiert Stellung. Die Graduierung der Faktoren kann offen bleiben; dass die Faktoren auf den Entwicklungsprozess Einfluss haben, ist offenkundig.
Die bestimmenden Faktoren der Begabungsentwicklung wird geradezu ersatzweise durch die Würdigung der Begabungen von Eltern und Geschwistern a...