VVG § 28 Abs. 1, 3; AKB 2008 E 1.3, 7.2
Leitsatz
1. Der Versicherer ist wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit leistungsfrei, wenn sich der Versicherungsnehmer am Unfallort der Polizei gegenüber nicht äußert und geschehen lässt, dass sich seine zum Unfallort herbeigerufene Mutter als Fahrerin ausgibt.
2. Der Versicherungsnehmer kann den Kausalitätsgegenbeweis nicht durch die Benennung von Zeugen für seine Behauptung, in seiner Fahrtauglichkeit nicht durch Alkohol beeinträchtigt gewesen zu sein, antreten.
KG, Beschl. v. 27.8.2010 – 6 U 66/10
1 Aus den Gründen:
"… Die Beklagte ist aber – wie das LG in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat – gem. E 7.1 AKB 2008 von der Verpflichtung zur Leistung befreit, weil der Kläger seine Aufklärungspflicht gem. E 1.3 AKB 2008 vorsätzlich verletzt hat und ihm der Kausalitätsgegenbeweis gem. E 7.2 nicht gelungen ist."
Dieses Ergebnis steht insbesondere in Übereinstimmung mit der von dem Kläger … wiedergegebenen Entscheidung des BGH v. 15.12.1982 (r+s 1983, 31, 32), denn der dieser Entscheidung zugrunde liegende Fall unterscheidet sich von dem vorliegend zu entscheidenden Fall in mehrfacher Hinsicht. So ist bereits dem Leitsatz der zitierten Entscheidung des BGH zu entnehmen, dass eine Begrenzung der vorliegend unter E 1.3 AKB 2008 ausdrücklich vereinbarten Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer (nur) dann in Betracht kommt, wenn er sich einerseits ohne Verstoß gegen § 142 StGB von der Unfallstelle entfernen darf (etwa weil alle Unfallbeteiligten und Geschädigten übereingekommen sind, "die Polizei aus dem Spiel zu lassen") und er sich andererseits durch eine Einschaltung der Polizei der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde (etwa wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss). Bereits diese beiden Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Denn dem Kläger ist ein Verstoß gegen § 142 StGB vorzuwerfen, da er … entgegen § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB trotz eines nicht unerheblichen Fremdschadens (ein Leitpfosten abgefahren, drei Betonpfeiler umgefahren, ca. 20 m Maschendrahtzaun stark beschädigt, sechs Jungbäume beschädigt) keine Angaben über die Art seiner Beteiligung gemacht hat, weswegen das AG M. auf Antrag der Staatsanwaltschaft auch einen Strafbefehl erlassen hat. Dass dieses Verfahren nach Einspruchseinlegung gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153a StPO wegen geringer Schuld eingestellt worden ist, ändert nichts an der Erfüllung des Tatbestands des § 142 StGB durch den Kläger.
Unterstellt man die Angaben des Klägers als zutreffend, hätte er sich im Falle einer wahrheitsgemäßen Angabe der Art seiner Beteiligung auch nicht etwa der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Denn wenn er tatsächlich fahrtüchtig war (also nicht etwa unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stand), hätte er der Polizei gegenüber die Art seiner Beteiligung an dem Unfall offenbaren können, ohne eine strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen.
Desweiteren erfordert auch nach der zitierten Entscheidung des BGH v. 15.12.1982 im Falle der Nichteinschaltung der Polizei die Erfüllung der dem Versicherungsnehmer obliegenden Pflicht zur Aufklärung des Versicherers, dass er diesem gegenüber richtige und wahrheitsgemäße Angaben macht, was vorliegend ebenfalls nicht geschehen ist. Vielmehr hat der Kläger eingeräumt, seine Behauptung, nicht Fahrer gewesen zu sein, (auch) gegenüber der Beklagten aufrecht erhalten zu haben.
Darüber hinaus hat der Kläger – jedenfalls zunächst – auch gegenüber der Polizei angegeben, seine Mutter sei gefahren, womit er ebenfalls – zumindest objektiv – seine Aufklärungspflicht gegenüber der Beklagten verletzt hat. …
Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung ausführt, § 142 StGB sei auch deshalb nicht erfüllt, weil Schutzgedanke der Norm ausschließlich sei, Geschädigten die Möglichkeit zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Schadensverursacher zu geben, was durch sein Verhalten gewährleistet gewesen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn der Kläger verkennt die generalpräventive Funktion des § 142 StGB, die gewährleisten soll, dass prinzipiell jeder an einem Unfall Beteiligte nicht nur nach eigenem Gutdünken den Geschädigten die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, sondern auch den dazu berufenen Behörden und Gerichten ermöglichen soll, für eine eventuell erforderliche Entscheidung über derartige Ansprüche die erforderlichen Feststellungen zeitnah treffen zu können. Demgegenüber hat der Kläger durch sein Verhalten (Nichtangabe der Art seiner Beteiligung) von sich als Schadensverursacher abgelenkt, sowie einen am Unfall nicht Beteiligten Schadenersatzansprüchen der Geschädigten ausgesetzt und dabei sogar in Kauf genommen, dass sich seine Mutter der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung (Vortäuschung einer Straftat) aussetzt.
Schließlich übersieht der Kläger auch, dass durch § 142 StGB auch das Aufklärungsinteresse des Versicherers gewissermaßen durch eine Reflexwirkung geschützt wird, weil die Strafvorschrift auf dem Wege über die polizeilichen Ermittlun...