Nugel: Kürzungsquoten nach dem VVG, 1. Aufl. 2011, Deutscher Anwaltverlag, 231 Seiten, 32 EUR, ISBN 978-3-8240-1092-9
Mit der Einführung des grundlegend reformierten VVG im Jahre 2008 wurde das bis dahin bei grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Versicherungsnehmers geltende “Alles oder Nichts-Prinzip‘ durch eine quotenmäßige Leistungskürzung im Sinne eines “Mehr oder Weniger‘ ersetzt. Da der Gesetzestext zur konkreten Quotenbildung keine Hilfestellungen gibt und die Praxis hier noch ihren Weg finden muss, entzünden sich dementsprechend an den Neuregelungen häufig streitige Auseinandersetzungen. Unter Berücksichtigung einiger inzwischen vorliegender Entscheidungen navigiert der Autor den Weg durch die neue Materie.
Das Werk unterteilt sich in drei Abschnitte. Im Allgemeinen Teil werden zunächst die systematischen Grundlagen dargestellt, insb. zum Einstieg die enumerative Auflistung aller Leistungskürzungstatbestände, bei denen eine Quotenbildung in Betracht kommen kann. Es folgt eine Darstellung zur umstrittenen Frage, ob der Versicherer bei schwerwiegendem Fehlverhalten des Versicherungsnehmers auch zu einer vollständigen Leistungskürzung berechtigt ist. In Rspr. und Literatur zeichnet sich inzwischen ab, dass dieses wohl statthaft ist. Weitere Abschnitte behandeln das Mittelwertmodell mit einem Einstieg bei 50 %, die zulässigen und sinnvollen Kürzungsschritte und die Quotenbildung bei mehreren Pflichtverletzungen des Versicherungsnehmers – eine in der Praxis nicht seltene Fallgestaltung. In dem Abschnitt über die Grundsätze der Quotenbildung werden nicht nur die objektiven und subjektiven Kriterien dargestellt, sondern auch diejenigen, die für die Quotenbildung ausdrücklich nicht relevant sind, etwa die Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers oder die Dauer der vertraglichen Bindung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Abgerundet werden die Überlegungen durch rechtsvergleichende Ausführungen zu Art. 14 des schweizerischen VVG, welches bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Ereignisses ebenfalls ein Kürzungsrecht des Versicherers vorsieht.
Ergänzt werden die Abschnitte des Allgemeinen Teils mit kurzen und übersichtlichen Checklisten, die die wesentlichen Gesichtspunkte übersichtlich zusammenfassen.
Im Besonderen Teil werden die Leistungskürzungsquoten für alle denkbaren Fallgestaltungen unter Berücksichtigung der wenigen, bisher ergangenen Urteile detailliert und übersichtlich strukturiert abgehandelt. Zunächst für den Bereich der Kraftfahrtversicherung die Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall, wo das Thema “Alkohol‘ entsprechend seiner praktischen Bedeutung einen breiten Raum einnimmt. Sodann folgen die Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall, die grobe Fahrlässigkeit (u.a. Rotlichtverstöße), die Gefahrerhöhung und der Ersatz sog. Rettungskosten. Mit gleichem Gliederungsschema schließen sich die Leistungskürzungsquoten für die Sachversicherung an. Abgerundet wird der Besondere Teil mit einigen Hinweisen zur Reiserücktrittskostenversicherung und privaten Unfallversicherung.
In einem Anhang wird der vom Arbeitskreis II "Quotenbildung nach dem VVG" beim 47. Deutschen Verkehrsgerichtstag vom 28. bis 30. Januar 2009 in Goslar entwickelte "Goslarer Orientierungsrahmen" dargestellt. Der Arbeitskreis hatte sich insbesondere dafür ausgesprochen, Musterquoten zu bilden und insoweit nur wenige Quotelungsstufen in 25 %-Schritten zu verwenden. Vervollständigt wir der Anhang durch den Abdruck Allgemeiner Versicherungsbedingungen.
Der Autor, ein durch zahlreiche Anmerkungen und Aufsätze zu dieser neuen Problematik ausgewiesener Kenner der Materie, gibt mit seinem Werk einen hilfreichen Wegweiser, der gleichermaßen Rechtsanwälten, Richtern und Mitarbeitern der Versicherungswirtschaft ein ergiebiger Ratgeber sein wird, auf den die Regulierungspraxis gewartet hat.