[2] "… II. Die Beschwerde des Beschuldigten ist zulässig und in der Sache begründet, da die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 111a Abs. 1 StPO, 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht gegeben sind. Es sind nämlich derzeit keine dringenden Gründe für die Annahme vorhanden, dass dem Beschuldigten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 StGB die Fahrerlaubnis gem. § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB entzogen werden wird."
[3] Zwar ist das AG Emden in der angefochtenen Entscheidung im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund des vorstehend geschilderten ausermittelten Sachverhalts ein dringender Tatverdacht für eine Straftat nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB gegeben ist.
[4] Insb. genügte der Beschuldigte nicht seiner Wartepflicht. Zwar vermag eine dem Beschuldigten durch § 142 StGB nicht auferlegte, aktive Tätigkeit von seiner Wartepflicht zu befreien, sofern dem Feststellungsinteresse des Geschädigten Rechnung getragen wird (OLG Bremen, Urt. v. 2.11.1971 – Ss 76/71, VRs 43, 29 (31)), was insb. der Fall ist, wenn dieser die Polizei verständigt (OLG Bremen, a.a.O.; OLG Frankfurt, Urt. v. 15.3.1967 – 3 Ss 1052/66, NJW 1967, 2072 (2073); Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 142 Rn 40, Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rn 40 zu § 142 StGB m.w.N.). Dem Unfallverursacher ist es aber hierbei nur gestattet, sich zum Zwecke der Benachrichtigung der Polizei vorübergehend von der Unfallstelle zu entfernen und alsdann an die Unfallstelle zurückzukehren bzw. dass er unverzüglich bei Benachrichtigung der Polizei alle Angaben zu den in § 142 StGB vorgesehenen Feststellungen macht (OLG Bremen, a.a.O.).
[5] Letzteres ist hier jedoch nicht der Fall.
[6] Nach eigenen Angaben hat der Beschuldigte nach der Unfallverursachung zunächst seinen Freund aufgesucht, mit dem er alsdann sein beschädigtes Fahrzeug zu einer Werkstatt gefahren hat. Erst danach hat er sich mit 40-minütiger zeitlicher Verzögerung persönlich bei der Polizeidienststelle gemeldet und sich als Unfallverursacher zu erkennen gegeben. Damit hat er dem Unverzüglichkeitsgebot nicht Folge geleistet und damit den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt.
[7] Gleichwohl fällt die vorliegende Tat selbst trotz Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale so sehr aus dem Rahmen der typischen Begehungsweises heraus, dass sie nicht mehr als der Regelfall anzusehen ist, dem der Gesetzgeber durch Vorwegnahme der Prognose eine den Eignungsmangel indizierende Wirkung i.S.d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB beilegen wollte (vgl. Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 69 Rn 42). Der einzige, dem Beschuldigten im vorliegenden Verfahren zu machende Vorwurf ist – wie schon die vorstehenden Ausführungen zeigen – lediglich darin begründet, dass er sich nicht unverzüglich, sondern erst mit 40-minütiger Verzögerung bei der Polizei gemeldet hat. Mit anderen Worten: Das Verhalten des Beschuldigten erfüllt "gerade noch" den Tatbestand der Verkehrsunfallflucht; sein Verhalten bewegt sich am untersten Rand der Strafwürdigkeit. Dem Feststellungsinteresse der geschädigten Deutschen Bahn AG ist nicht zuletzt auch durch seine nachträglichen Aufklärungsbemühungen hinreichend Rechnung getragen worden, sodass der Schutzzweck, um dessentwillen § 142 StGB normiert worden ist, hinreichend Rechnung getragen wurde. So lässt der Umstand, dass der Täter entschlossen war, sich beim Geschädigten zu melden und den Schaden zu ersetzen, regelmäßig die Indizwirkung im Rahmen des § 69 StGB entfallen (ausdrücklich Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 69 Rn 42 m.w.N.). Auch in der Person des Beschuldigten selbst – sein Verkehrszentralregisterauszug weist keine Eintragungen auf – ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, den Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB als erfüllt anzusehen. Vor dem Hintergrund der geringen Strafwürdigkeit des Verhaltens des Beschuldigten mag nach derzeitigem Erkenntnis- und Verfahrensstand allenfalls ein Fahrverbot gem. § 44 StGB in Betracht kommen.
[8] Eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist demgegenüber gem. § 5 Abs. 2 S. 1 StrEG ausgeschlossen, da der Beschuldigte die vorläufige Entziehung zumindest grob fahrlässig verursacht hat, indem er trotz des von ihm angerichteten nicht unerheblichen Schadens den Unfallort, ohne Feststellungen zu seiner Person ermöglicht zu haben, unverzüglich verlassen hat.
[9] Angesichts dessen war der angefochtene Beschl. aufzuheben und dem Beschuldigten der beschlagnahmte Führerschein mit der Kostenfolge entsprechend § 467 Abs. 1 StPO herauszugeben.