[4] "… Die Zurückweisung des in der mündlichen Verhandlung v. 22.1.2010 gestellten Antrags, den Sachverständigen Dipl.-Ing. H. zur mündlichen Erläuterung seines Ergänzungsgutachtens zu laden, durch das LG findet entgegen der Auffassung der Vorinstanzen in § 296 Abs. 2 ZPO keine Stütze. Die Bestimmung setzt voraus, dass Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen § 282 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig mitgeteilt werden. Dazu ist den Entscheidungen beider Vorinstanzen nichts zu entnehmen."

[5] Das LG führt lediglich die Vorschrift des § 296 Abs. 2 ZPO an, ohne anzugeben, welche der beiden vorgenannten Alternativen einschlägig sein soll. Das OLG sieht eine grob nachlässige Verspätung des Antrags darin, dass die Kl. den nach der Beweislage offenkundig notwendigen Antrag erst in der mündlichen Verhandlung v. 22.1.2010 gestellt hat, obgleich sie durch die im selbstständigen Beweisverfahren am 26.10.2009 gesetzte Frist, zu dem Ergänzungsgutachten bis zum 4.1.2010 Stellung zu nehmen, angehalten gewesen sei, hierzu vorzutragen. Hierin erblickt das BG einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die die Kl. treffende Sorgfalts- und Prozessförderungspflicht nach § 282 Abs. 1 ZPO. Das ist nicht richtig.

[6] § 282 Abs. 1 ZPO betrifft allein Angriffs- und Verteidigungsmittel, die in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden. Die Vorschrift ist nur dann einschlägig, wenn innerhalb einer Instanz mehrere Verhandlungstermine stattfinden; ein Vorbringen im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung kann niemals nach § 282 Abs. 1 ZPO verspätet sein (BGH, Urt. v. 4.5.2005 – XII ZR 23/03, unter 2 b aa, MDR 2005, 1006 = NJW-RR 2005, 1007; Prütting, in: MüKo-ZPO, 3. Aufl., § 282 Rn 8; jeweils m.w.N.). § 282 Abs. 1 ZPO ist hiernach im Streitfall offenkundig nicht anwendbar. Zwar war dem Verhandlungstermin vom 22.1.2010 bereits ein Termin vor dem LG vorausgegangen, der am 24.7.2009 stattfand. In diesem Termin ist jedoch wegen des noch ausstehenden Ergänzungsgutachtens im selbstständigen Beweisverfahren auf übereinstimmenden Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden. Die erste mündliche Verhandlung erster Instanz, in der die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Ergänzungsgutachtens beantragt werden konnte, war somit die mündliche Verhandlung v. 22.1.2010. Der dort gestellte Antrag kann daher nicht nach § 282 Abs. 1 ZPO verspätet sein.

[7] Der Umstand, dass der Kl. im selbstständigen Beweisverfahren eine Frist zur Stellungnahme zu dem Ergänzungsgutachten gesetzt worden war, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Fristwidrig verspätetes Vorbringen ist nicht Regelungsgegenstand des vom BG angewendeten Abs. 1 des § 282 ZPO. Davon abgesehen sind auch die Präklusionsvoraussetzungen der zweiten Alternative des § 296 Abs. 2 ZPO (i.V.m. § 282 Abs. 2 ZPO) offenkundig nicht erfüllt. Die in § 282 Abs. 2 normierte Prozessförderungspflicht betrifft nur solche Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorherige Erkundigung keine Erklärung abgeben kann; das ist bei dem Antrag, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, nicht der Fall.

[8] Ob der Antrag nach § 296 Abs. 1 ZPO hätte zurückgewiesen werden dürfen, ist in den Rechtsmittelinstanzen nicht zu prüfen (BGH v. 4.5.2005, a.a.O. unter 2 b bb; v. 22.2.2006 – IV ZR 56/05, Rn 12 ff., BGHZ 166, 227 = MDR 2006, 1306; jeweils m.w.N.).

[9] Bleibt wie im vorliegenden Fall ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei deswegen unberücksichtigt, weil der Tatrichter es in offenkundig fehlerhafter Anwendung der Präklusionsnormen zu Unrecht zurückgewiesen hat, so ist zugleich das rechtliche Gehör der Partei verletzt (vgl. BGH, Beschl. v. 3.11.2008 – II ZR 236/07, Rn 8, NJW-RR 2009, 332; Urt. v. 27.1.2010 – XII ZR 148/07, Rn 20, NJW-RR 2010, 1508). [Rn 10].“

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