BGB § 254
Leitsatz
1. Trotz Vorzugswürdigkeit der Fraunhofer-Liste für die Bestimmung des Normaltarifs von Mietwagen kann bei einem Schaden in Höhe der Berechnungen nach Schwacke ein Abzug nach § 254 BGB nicht gemacht werden, da der entsprechende Vertragsschluss nicht dem Geschädigten vorgeworfen werden kann.
2. War der Geschädigte Opfer einer Straftat, die bei ihm zu einer psychischen und organisatorischen Ausnahmesituation geführt hat, ist ihm eine ruhige und sorgfältige Rundumanalyse der Angebote von Mietwagenunternehmen und eine Würdigung von Tarifgestaltungen nicht möglich, sodass ihm eine Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht nicht vorgeworfen werden kann.
(Leitsätze der Schriftleitung)
AG Bochum, Urt. v. 27.7.2012 – 38 C 172/12
Sachverhalt
Nach einem Verkehrsunfall, der bei dem Geschädigten zu einer psychischen Ausnahmesituation führte, mietete er ein Ersatzfahrzeug, dessen Tarif über den in der Fraunhofer-Liste aufgeführten Sätzen, jedoch den in der Schwacke-Liste festgehaltenen Sätzen entsprach. Die Bekl. glich die Rechnung in Höhe der Vorgaben der Fraunhofer-Liste aus. Den rechnerisch offen stehenden Betrag machte die geschädigte Kl. mit Erfolg geltend.
2 Aus den Gründen:
"Die Kl. verlangt … den tatsächlich gezahlten Betrag als Schadensersatz. Dieser tatsächlich erfolgte Vermögensabfluss ist zu erstatten, da ein mitwirkendes Verschulden bei Verursachung dieser Schadenshöhe nach § 254 BGB nicht zu erkennen ist."
Die Rechnung hält sich an die Vorgaben der sog. “Schwacke-Liste’. Diese wird vom LG Bonn – und aus Gründen der Einheitlichkeit der Rspr. dem folgend die Abteilungen des AG – nicht akzeptiert, sondern die sog. “Fraunhofer-Liste’ für zutreffend gehalten. Die gilt jedoch nur in Fällen, wo der “erforderliche Geldbetrag’ zu errechnen ist. Entsteht wie hier tatsächlich ein Schaden in Höhe der Berechnungen nach Schwacke, kann über § 254 BGB kein Abzug gemacht werden. Denn der dahingehende Vertragsschluss erscheint nicht vorwerfbar, da viele Gerichte diesen Weg für zulässig halten.
Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Kl. Opfer eines Verkehrsverstoßes, evtl. gar einer Straftat war, sich in einer psychischen und organisatorischen Ausnahmesituation befand und eine ruhige, sorgfältige Rundumanalyse der günstigsten Angebote eine Überforderung des Opfers und eine nicht angezeigte Risikoverlagerung darstellen würden.“
Mitgeteilt von RA JUDr. Frank Ochsendorf, Hamburg