BGB § 307
Leitsatz
Eine Klausel zur Ermöglichung einer abstrakten Verweisung in einer Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung ist gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie dem Zweck der Versicherung widerspricht, krankheitsbedingte finanzielle Einbußen im konkret ausgeübten Beruf aufzufangen.
OLG Hamm, Beschl. v. 7.9.2012 – 20 W 12/12
1 Aus den Gründen:
" … Die zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet …"
Die Kl. hat entgegen der vom LG vertretenen Auffassung hinreichend dargelegt, dass sie seit dem 18.12.2008 arbeitsunfähig i.S.d. § 1 Nr. 2 ARB sei. Ob die primäre Ursache der ihr unstreitig attestierten Arbeitsunfähigkeit in einer psychischen Erkrankung zu suchen ist oder ob die unstreitig bestehende depressive Symptomatik bzw. die somatoforme Schmerzstörung die sonstigen Erkrankungen der Kl. lediglich überlagern, lässt sich im Prozesskostenhilfeverfahren nicht klären, sondern ist abschließend im Wege einer sachverständigen Begutachtung festzustellen. Insoweit kommt auch nicht die Verwertung des von der Kl. vorgelegten Gerichtsgutachtens des SG D gem. § 411a ZPO in Betracht, weil dieses auf andere Beweisfragen gerichtet war.
Das LG hat die Anforderungen an die Darlegungslast der Kl. überspannt. Die Kl. hat unter Verweis auf diverse ärztliche Bescheinigungen vorgetragen, dass sie aufgrund des bestehenden Weichteilrheumatismus arbeitsunfähig sei. Damit genügt sie ihrer Darlegungslast unter Berücksichtigung des Umstands, dass es hier um die Beurteilung medizinischer Zusammenhänge geht, zu deren fachlich zutreffender Wertung eine spezifische Sachkunde vorauszusetzen ist (vgl. BGH VersR 2011, 44). Der Kl., die diese Sachkunde als Altenpflegehelferin ersichtlich nicht selbst hat, kann im Rahmen des von ihr darzustellenden Sachvortrags nicht mehr abverlangt werden als die Schilderung der von ihr unmittelbar wahrnehmbaren Krankheitssymptome, insb. im Hinblick auf die dadurch bedingte Beeinträchtigung ihrer Arbeitsfähigkeit. Eine eingehende Auseinandersetzung mit den von der Bekl. vorgetragenen und fachgutachterlich belegten medizinischen Wertungen ist von ihr nicht zu verlangen. Insoweit durfte sie sich darauf beschränken, ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Beweis der von ihr behaupteten und nachzuweisenden Arbeitsunfähigkeit zu beantragen.
Entsprechendes gilt für den Einwand der Bekl., die Kl. sei mittlerweile dauerhaft berufsunfähig. Im Prozesskostenhilfeverfahren genügt die auf ärztliche Atteste gestützte Behauptung einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf den vormals ausgeübten Beruf der Altenpflegerin, um den Einwand der Berufsunfähigkeit zu bestreiten.
Soweit die Kl. Leistungen ab dem 30.1.2009 begehrt, sind die Erfolgsaussichten ihrer Klage nicht schon wegen ihrer unstreitig verspäteten Mitteilung an die Bekl. selbst zu verneinen. Zu Recht verweist die Kl. darauf, dass sich der VR die Kenntnis der Darlehensbank vom Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zurechnen lassen muss. Denn die Bank ist bei der hier vorliegenden Vertragsgestaltung als Verhandlungs- und Abschlussagent der Bekl. zu behandeln (OLG Schleswig RuS 2005, 119). Dass die Bekl. sich in dieser Konstellation entgegen § 5 Nr. 2 ABR auch mündliche Mitteilungen zurechnen lassen muss, hat sie angesichts ihrer Leistungen ab Dezember 2009 selbst nicht in Frage gestellt. …
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Leistungsanträge der Kl. nicht an der in § 1 Ziff. 3 AVB Möglichkeit einer abstrakten Verweisung werden scheitern können. Diese Klausel dürfte gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein, weil es eine unangemessene Benachteiligung des VN bzw. der versicherten Person darstellt, die Leistungspflicht neben der (vorübergehenden) Unfähigkeit zur Verrichtung des tatsächlich ausgeübten Berufs auch an die Unfähigkeit zur Ausübung anderer Tätigkeiten zu knüpfen. Schließlich ist es der versicherten Person gerade angesichts des vorübergehenden Charakters ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht zuzumuten, sich auf eine ihr mögliche andere Tätigkeit verweisen zu lassen, die sie tatsächlich gar nicht ausgeübt hat und die für sie demzufolge auch keine Einnahmequelle darstellt. Ein solcher abstrakter Verweis widerspräche offenbar dem Schutzzweck der Arbeitsunfähigkeitsversicherung, die finanziellen Einbußen aufzufangen, die der versicherten Person aufgrund der Unfähigkeit zur Ausübung ihres konkreten Berufs entstehen (OLG Koblenz NJW 2012, 2126, Juris-Rn 15).
Vor diesem Hintergrund könnten die Klageanträge allenfalls an dem von der Bekl. zu erbringenden Nachweis einer dauerhaften Berufsunfähigkeit der Kl. scheitern, die sich allerdings wegen Unwirksamkeit von § 1 Ziff. 3 AVB ebenso nur im Hinblick auf die konkret von der Kl. in gesunden Tagen ausgeübte Berufstätigkeit beziehen könnte. Mit dieser Einschränkung bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken an der Wirksamkeit der Klausel aus § 5 Ziff. 4 lit c AVB, weil es dem Leitbild der Arbeitsunfähigkeitsversicherung entspricht, allein für die vorübergehende, nicht aber für die dauerhafte Unfähigkeit zur Berufsausübu...