ULLA Nr. 9.2.1 9.2.2.; VVG § 27 § 28 a.F.
Leitsatz
Für die Anzeigepflicht bei einer nicht veranlassten Gefahrerhöhung enthalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA) eine abschließende Regelung, die einen Rückgriff auf die gesetzlichen Vorschriften der §§ 27, 28 VVG a.F. ausschließt.
BGH, Urt. v. 12.9.2012 – IV ZR 171/11
Sachverhalt
Die Parteien streiten über Leistungen aus einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung wegen Erstattung von Rechtsanwaltskosten. Der Kl. war seit dem 13.12.2006 Mitglied des Aufsichtsrats der H Molkerei AG. Diese hatte bei der Bekl. eine als Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten bezeichnete D&O-Versicherung mit Innenverhältnisdeckung geschlossen. Versicherte Person war der Kl. Die in den Vertrag einbezogenen AVB (ULLA) lauten auszugsweise wie folgt:
"9.2.1 … Die VN ist verpflichtet, dem VR auf Befragen unverzüglich alle nach Vertragsschluss eintretenden, die übernommene Gefahr erhöhenden Umstände mitzuteilen."
Dies gilt sowohl für die von der VN als auch von Dritten mit Duldung der VN verursachten Gefahrerhöhungen.
9.2.2 a) Verletzt die VN ihre Anzeigepflicht gem. Ziffer 9.2.1, kann der VR den Versicherungsvertrag insgesamt fristlos kündigen und zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Kündigung nur bei einem Teil der versicherten Personen oder Tochterunternehmen erfüllt sind. Beruht die Gefahrerhöhung nicht auf einem Verschulden der VN, so braucht diese die Kündigung erst mit dem Ablauf eines Monats gegen sich gelten zu lassen.
Tritt nach Abschluss des Versicherungsvertrags eine Erhöhung der Gefahr unabhängig vom Willen der VN ein, kann der VR den Versicherungsvertrag insgesamt mit einer Kündigungsfrist von einem Monat kündigen und zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Kündigung nur bei einem Teil der versicherten Personen oder Tochterunternehmen erfüllt sind.
b) Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung
Der VR ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn die VN die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige gem. Ziffer 9.2.1 verletzt und der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem VR hätte zugehen müssen. …
11.2 … Wird die VN selbst freiwillig liquidiert oder neu beherrscht, erlischt der Versicherungsschutz mit Abschluss der Liquidation oder mit Beginn des neuen Beherrschungsverhältnisses automatisch.“
Zum 5.10.2007 übernahm die J B KG die Mehrheit der Aktien der VN. Die Bekl. erhielt von der Unternehmensübernahme erstmals durch ein Schreiben der VN v. 13.3.2008 Kenntnis. Mit Schreiben v. 11.12.2007 nahm die VN den Kl. neben anderen Aufsichtsratsmitgliedern gesamtschuldnerisch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 4.491.429,45 EUR in Anspruch. Zur Begründung führte sie aus, der Aufsichtsrat habe von Dezember 2006 bis September 2007 an einer Verlust bringenden Ausweitung der Geschäftsbeziehung der VN mit der F GmbH mitgewirkt.
2 Aus den Gründen:
[8] "… I. Das BG hat ausgeführt, Nr. 2 Abs. 1 ULLA definiere den Versicherungsfall als erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen eine versicherte Person. Der so beschriebene Versicherungsfall könne durch einen Beherrschungswechsel wahrscheinlicher werden. Dabei sei die Gefahrerheblichkeit eines Beherrschungswechsels nicht auf Fälle beschränkt, in denen der künftige Mehrheitsaktionär eine Unternehmensprüfung vornehme. Vielmehr sei es auch möglich, dass der neue Mehrheitsaktionär unbeanstandete Maßnahmen des bisherigen Managements als pflichtwidrig erachte oder dass er, abweichend von früheren Entscheidungen, die Inanspruchnahme eines Organs für angezeigt halte. Diese letztgenannte Möglichkeit habe sich hier realisiert. Die infolge des Beherrschungswechsels eingetretene Gefahrerhöhung stelle sich als nicht veranlasste Gefahrerhöhung dar (§ 27 Abs. 1 S. 1 VVG a.F.), und die VN hätte den Beherrschungswechsel unverzüglich der Bekl. anzeigen müssen (§ 27 Abs. 2 VVG a.F.). Nachdem dieser am 5.10.2007 erfolgt war, hätte eine pflichtgemäße Anzeige noch im Oktober zugehen müssen. Da der Versicherungsfall mehr als einen Monat danach, am 11.12.2007, eingetreten sei, sei die Bekl. nach § 28 Abs. 1 VVG a.F. leistungsfrei."
[9] II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[10] Das BG hätte die Klage nicht mit der von ihm gegebenen Begründung unter Hinweis auf §§ 27, 28 VVG a.F. abweisen dürfen.
[11] 1. In der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten verspricht der VR dem VN Versicherungsschutz unter anderem für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der VN begangenen Pflichtverletzung für einen Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Der Versicherungsschutz umfasst sowohl die gerichtliche und außergerichtliche Abwehr unbegründeter als auch die Befriedigung begründeter Schadensersatzansprüche (vgl. Nr. 1 Abs. 1, Nr. 3...