[9] "II. 1. Die Vorlegungsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 GVG ist gem. § 79 Abs. 3 OWiG für die Rechtsbeschwerde i.S.d. Ordnungswidrigkeitengesetzes entsprechend heranzuziehen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.1992 – 2 StR 371/91, BGHSt 38, 251, 254). Das OLG Celle kann nicht seiner Absicht gemäß entscheiden, ohne von der Rechtsauffassung des OLG Hamm abzuweichen."
[10] 2. In der Vorlegungsfrage teilt der Senat die Auffassung des vorlegenden Gerichts.
[11] a) Der Betr. ist nach § 73 Abs. 1 OWiG zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. Er kann aber nach § 73 Abs. 2 OWiG auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden, wenn er sich geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Bleibt der Betr. ohne genügende Entschuldigung aus, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, hat das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urt. zu verwerfen (§ 74 Abs. 2 OWiG). Dem Ausbleiben des Betr., wenn es nicht aus anderen Gründen genügend entschuldigt ist, ist mangelndes Interesse an der Wahrnehmung seiner Prozessrolle zu entnehmen; dies rechtfertigt angesichts der geringeren Bedeutung von Bußgeldverfahren eine Verwerfung des Einspruchs.
[12] Die Verwerfung des Einspruchs bei unentschuldigtem Ausbleiben des Betr. ist nach der Neufassung des § 74 Abs. 2 OWiG durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze (OWiGÄndG) v. 26.1.1998 (BGBl I S. 156, 157) zwingend, ein Ermessensspielraum wird dem Gericht anders als nach der früheren Rechtslage nicht mehr eingeräumt. Durch die Umwandlung der Vorschrift in eine zwingende Regelung wollte der Gesetzgeber eine Vereinfachung des Verfahrens und damit eine "dringend gebotene" Entlastung der Gerichte erreichen (BT-Drucks 13/5418, S. 7, 9). Schon nach der früheren Rechtslage durfte aber das AG den Einspruch des trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens in der Hauptverhandlung unentschuldigt ausgebliebenen Betr. gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde auch dann noch nach § 74 Abs. 2 S. 1 OWiG verwerfen, wenn das vorangegangene Sachurteil vom Rechtsbeschwerdegericht aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden war (BGH, Beschl. v. 10.12.1985 – 1 StR 506/85, BGHSt 33, 394). Der BGH hat dies seinerzeit daraus geschlossen, dass das Erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts (1. StVRG) v. 9.12.1974 (BGBl I S. 3393, 3533) lediglich § 329 Abs. 1 StPO und § 412 StPO in dem Sinne geändert hat, dass die Berufung oder der Einspruch nach diesen Vorschriften nicht mehr verworfen werden darf, wenn das Tatgericht erneut verhandelt, nachdem die Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen worden ist. Damit habe der Gesetzgeber der Rspr. des BGH zu § 329 Abs. 1 StPO (Urt. v. 3.4.1962 – 5 StR 580/61, BGHSt 17, 188) Rechnung tragen wollen. Weil § 329 Abs. 1 StPO und § 412 StPO sowie § 74 Abs. 2 OWiG dasselbe Rechtsproblem beträfen, lasse sich schon aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber diese Frage in § 329 Abs. 1 StPO und § 412 StPO neu geregelt habe, während § 74 Abs. 2 OWiG – bei Änderung in anderen Punkten – unverändert geblieben sei, der Schluss ziehen, dass er damit unterschiedliche Regelungen für Strafverfahren und Bußgeldverfahren habe treffen wollen.
[13] Diese Argumentation trifft auch nach der gegenwärtigen Rechtslage zu. Zwar stand nach der früheren Fassung des § 74 Abs. 2 OWiG die Verwerfung des Einspruchs bei unentschuldigtem Ausbleiben des Betr. im Ermessen des Gerichts, während diese Folge nunmehr zwingend auszusprechen ist. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber bei dieser erneuten Änderung des § 74 Abs. 2 OWiG in Kenntnis der Rspr. zur Zulässigkeit der Verwerfung nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht wiederum keine dem § 329 Abs. 1 S. 2 StPO entsprechende Regelung in die Vorschrift eingefügt hat, kann daher weiterhin geschlossen werden, dass die Verwerfung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid nach Aufhebung des ersten Sachurteils in der Rechtsbeschwerdeinstanz und die Verwerfung der Berufung bzw. des Einspruchs gegen einen Strafbefehl unterschiedlich geregelt bleiben sollen (so auch OLG Köln, VRS 98 [2000], 217, 219; OLG Stuttgart, NJW 2002, 978, 979; OLG Brandenburg, VRS 117 [2009] 102; OLG Hamm, Beschl. v. 22.3.2012 – 3 RBs 68/12, veröffentlicht bei juris; zustimmend Seitz in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 74 Rn 24; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, Stand März 2011, § 74 Rn 13; Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 74 Rn 22; aA KK-Senge, OWiG, 3. Aufl., § 74 Rn 21). Dies entspricht auch dem Ziel der Entlastung der Gerichte durch das OWiGÄndG. Da es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers handelt, die Verfahrensweise beim unentschuldigten Ausbleiben des Betr. im Bußgeldverfahren abweichend vom Strafverfahren zu regeln, scheidet ...