Ausgehend von den beiden gegensätzlich lautenden Beschlüssen des OLG Hamm (OLG Hamm, Beschl. v. 2.11.2006 – 4 Ss OWi 742/06, VRS 112 [2007], 49) und des OLG Celle (OLG Celle, Beschl. v. 14.11.2011 – 311 SsBs 152/11, juris) musste der BGH entscheiden ob trotz Eintritts von Teilrechtskraft ein volles Verwerfungsurteil nach Aufhebung und Zurückverweisung ergehen darf, ja sogar muss. Denn ein Ermessen des Gerichts ist in der aktuellen Fassung des § 74 OWiG nicht mehr vorgesehen.
Schwerpunkt der Argumentation des BGH ist der bewusste Wille des Gesetzgebers, der das OWiG geändert hat und dabei Unterschiede zur ebenfalls geänderten StPO hat entstehen und bestehen lassen, obwohl es eindeutige Rspr. gab, die eine Änderung des OWiG ebenfalls geboten hätte erscheinen lassen, wenn man denn einen Gleichklang zur StPO gewollt hätte. Dies ist aber letztendlich nicht geschehen, so dass der zwingenden Verwerfung (und damit der Verfahrensökonomie in Bußgeldsachen) stets der Vorrang einzuräumen ist. Auch das OLG Celle hatte maßgeblich auf den Willen des Gesetzgebers abgestellt.
Angesichts der vielen Änderungen und Differenzen, die in dieser Hinsicht inzwischen zwischen StPO und OWiG bestehen, ist die Argumentation mittlerweile auch kaum mehr zu widerlegen, gerade weil man der Legislative natürlich unterstellen muss, dass sie die Rspr., die entsprechende Probleme und Folgefragen bereits thematisiert hat, kennt und berücksichtigt. Mich hat einzig etwas gestört, dass aus einer Nichterwähnung der Problematik der Aufhebung eines Urt. im Rechtsfolgenausspruch mit Zurückverweisung der Sache in den Gesetzesmaterialien geschlossen wurde, dass dies erkannt, aber bewusst nicht geregelt wurde. Denn mag man dem "modernen" Gesetzgeber wirklich unterstellen bzw. zutrauen, dass er Auslassungen zu solchen durchaus speziellen Problemen bewusst vornimmt, wo es doch Gesetze zuhauf gibt, die noch vor oder kurz nach Inkrafttreten bereits geändert und verbessert werden mussten, dabei nicht einmal unbedeutende wie das FamFG oder die InsO? Man muss es wohl, sonst wäre auf Gesetze kein Verlass mehr.
Jedenfalls sind die des Weiteren aufgeführten Argumente des BGH ebenso zutreffend, sodass man der Entscheidung des BGH wider den Schutz der Teilrechtskraft letztendlich nur zustimmen kann. Neben der Durchbrechung der Teilrechtskraft in besonderen Konstellationen sind dies vor allem die Möglichkeit der Einstellung nach § 47 OWiG und die Herstellung von Rechtseinheitlichkeit nach Verwerfung durch die dann eintretende Rechtskraft des Bußgeldbescheids, sodass insgesamt ein gutes Gesamtbegründungsbild für die nun gefundene Lösung existiert.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger