Entzieht die Verwaltungsbehörde dem Führerscheininhaber die Fahrerlaubnis wegen des Erreichens der Acht-Punkte-Grenze und klagt er sodann dagegen im einstweiligen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO), zumal er bei einzelnen Verfehlungen, die im FAER eingetragen sind, nicht Fahrzeugführer gewesen sei, so gilt Folgendes: Ein Wiederaufnahmeverfahren kann allenfalls dann der verwaltungsrechtlichen Maßnahme entgegenstehen, wenn sich bereits zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung feststellen lässt, dass das anhängig gemachte Wiederaufnahmeverfahren mit derart hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Freispruch führen muss, dass es im Hinblick darauf grob unbillig wäre, trotz der Bindung an die rechtskräftigen Bußgeldbescheide, an der sofortigen Vollziehbarkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis festzuhalten.
Mit Blick auf das Gebot materieller Einzelfallgerechtigkeit müsste die im Straf- oder Bußgeldverfahren zulasten des Betroffenen ergangene Entscheidung evident unrichtig sein. Die Erfolgsaussichten im Wiederaufnahmeverfahren lassen sich aber recht schwer bewerten, oftmals findet man nur die Situation vor, dass das Radarfoto nicht mit dem Betroffenen übereinstimmt. Ob dies für eine evidente Unrichtigkeit der gerichtlichen Entscheidung ausreicht, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls sollte der Rechtsanwalt bei einer dem Betroffenen zugegangenen Anhörung nach § 28 VwVfG im Verkehrsverwaltungsrecht zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis beantragen, dass das öffentlich-rechtliche Verfahren wegen des laufenden Wiederaufnahmeantrages bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits ausgesetzt wird. Im Verwaltungsverfahren oder vor dem Verwaltungsgericht muss der Rechtsanwalt sich mit diesem Punkt ausführlich befassen und darlegen, dass jedenfalls zumindest mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass dem Wiederaufnahmeantrag stattgegeben wird. Er muss das Gericht bzw. die Behörde vom Vorliegen einer Ausnahmekonstellation überzeugen und ggf. den schon gestellten Wiederaufnahmeantrag in Kopie beifügen. Im einstweiligen Rechtsschutz wird er bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung sonst keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung erwecken können und das Verwaltungsgericht wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ausgehen.
Wird der Betroffene im Bußgeldverfahren dagegen freigesprochen oder das Verfahren eingestellt, so fällt mit der Aufhebung der ursprünglichen Verurteilung die damit verbundene Punktebewertung in Flensburg weg, womit der verwaltungsverkehrsrechtliche Entziehungsbescheid bzw. ein Aufbauseminar nicht mehr ergehen darf.