StVO § 3
Leitsatz
Die Richtigkeit einer Geschwindigkeitsmessung im standardisierten Verfahren mittels eines Lichtsensorgerätes vom Typ ES3.0 wird grundsätzlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass das gemessene Fahrzeug über ein Tagfahrlicht mit LED-Leuchten verfügt.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.11.2018 – 2 Rb 8 Ss 621/18
Sachverhalt
Das AG verurteilte den Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h zu der Geldbuße von 100 EUR und ordnete gem. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV ein Fahrverbot von einem Monat Dauer an. Mit der frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde beanstandet der Betr. u.a. die Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Damit sollte bewiesen werden, dass die mit einem Lichtsensorgerät vom Typ ES3.0 vorgenommene Messung fehlerhaft sei und der Betr. die zulässige Höchstgeschwindigkeit um höchstens 25 km/h überschritten habe. Zur Begründung wurde unter Wiedergabe einer Veröffentlichung der VUT Sachverständigen GmbH & Co. KG, mit der die Bauartzulassung wegen der Auswirkungen von LED-Leuchten auf den Signalverlauf in Frage gestellt wurde, ausgeführt, dass die Messung durch das Tagfahrlicht mit LED-Leuchten am gemessenen Fahrzeug zuungunsten des Betr. verfälscht worden sei. Das AG lehnte den Beweisantrag gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ab, weil es die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hielt. Das OLG Karlsruhe hat die Rechtsbeschwerde des Betr. gegen das Urteil des AG als unbegründet verworfen.
2 Aus den Gründen:
"… II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. ergeben hat. Eines näheren Eingehens bedarf dabei nur die gerügte Ablehnung des vom Betr. gestellten Beweisantrags, die von der im Ablehnungsbeschluss getragenen Begründung allerdings nicht getragen wird. Nachdem der Betr. mit der Vorlage der Stellungnahme der VUT GmbH & Co KG Anhaltspunkte dafür aufgezeigt hatte, dass die auf der Messung von Helligkeitsunterschieden basierende Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät ES3.0 von dem von LED-Leuchten ausgesandten Lichtimpulsen beeinflusst werden könnte, konnte der Beweisantrag ohne weitere Aufklärung nicht abgelehnt werden."
Auf der Grundlage der dazu vom Senat eingeholten Stellungnahme der PTB vom 18.9.2018 kann jedoch ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 337 StPO). Die PTB hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt:
“LED-Scheinwerfer werden manchmal (nicht immer, denn das hängt vom Fahrzeug bzw. Scheinwerfertyp ab) in schneller Folge periodisch ein- und ausgeschaltet (schneller, als das menschliche Auge auflösen kann). Es wurde nun kürzlich die Vermutung geäußert, dass es passieren könnte, dass sich das Helligkeitsprofil des Fahrzeugs durch dieses schnelle Ein- und Ausschalten der LED-Lichtquelle unter sehr speziellen Umständen schneller nach vorne bewegt als die Karosserie des Fahrzeugs, zum Beispiel, wenn durch das Pulsieren der LEDs möglicherweise eine Art Lauflichteffekt nach vorne entstehen sollte. In diesem hypothetischen Szenario könnte dann unter Umständen eine zu hohe Geschwindigkeit angezeigt werden, eben die des sich aktiv verändernden Helligkeitsmusters und nicht die des Fahrzeugs als Ganzem. Konkrete Szenarien wurden jedoch nicht vorgestellt, sondern nur diese allgemeine, unspezifische Befürchtung geäußert. […]
Der PTB liegen bisher keine konkreten Anhaltspunkte dazu vor, dass es zu Fehlmessungen durch das Geschwindigkeitsmessgerät ES3.0 kommt, wenn das betreffende Fahrzeug mit LED-Scheinwerfern ausgestattet ist. Eigene spezifische Untersuchungen der PTB vor etwa einem Jahr haben ebenfalls keine Hinweise auf mögliche Fehlmessungen gebracht:
1. Eine theoretische Analyse möglicher Szenarien mit gepulsten LED-Scheinwerfern kommt zu dem Ergebnis, dass die ausgefeilten Annullationskriterien des ES3.0-Gerätes dafür sorgen, dass keine fehlerhaften geeichten Messwerte entstehen können. Jedoch kann die Annullationsrate für manche Fahrzeuge mit LED-Scheinwerfern stark ansteigen.
2. Das reale zeitliche Ein- und Ausschaltmuster von LED-Leuchten an Vorder- und Rückseite von Fahrzeugen wurde mit Hilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera (100.000 Bilder pro Sekunde) für verschiedene Fahrzeugtypen von vorne, von hinten und von der Seite untersucht, um sicherzustellen, dass die unter 1. genannten Szenarien den Parameterraum abdecken.
3. Die Sichtung der Aufzeichnungen der im Rahmen der Bauartprüfungen durchgeführten Praxistests auf den PTB-Referenzanlagen hat ergeben, dass auch bei mit LED-Leuchten ausgestatteten Fahrzeugen die Geschwindigkeit korrekt bestimmt wurde.
4. Um die Datenbasis weiter zu verbessern, wurden bei Dunkelheit gezielte Fahrversuche mit LED-Fahrzeugen gemacht. Dabei kam es in keinem einzigen Fall zu einer fehlerhaften Messwertbildung. Allerdings wurde ein großer Anteil aller Messungen vom Messgerät annulliert.
5. ...