"… [2] II. Die gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO, § 17a Abs. 4 S. 4 GVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet."

[3] 1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts, dessen Entscheidung u.a. in NJW-RR 2018, 221 veröffentlicht ist, geht es hinsichtlich der Pflegeversicherung um Streitfragen nach dem SGB XI, die dem Sozialgericht zugewiesen sind. Die Beendigung des privaten Pflegeversicherungsvertrages sei in § 110 Abs. 4 SGB XI geregelt. Damit seien zumindest die hilfsweise ausgesprochenen Kündigungs- und Rücktrittserklärungen Gegenstand des SGB XI. Auch hinsichtlich der Anfechtung spielten Erwägungen des SGB XI eine wesentliche Rolle. Es erscheine darüber hinaus nicht sachdienlich, Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf eine private Pflegeversicherung danach aufzuspalten, ob eine Anfechtung, ein Rücktritt oder eine Kündigung erklärt wurde.

[4] 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

[5] a) Nach § 51 Abs. 2 S. 2 i.V.m. S. 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung nach dem Sozialgesetzbuch – Elftes Buch (SGB XI). Dazu zählen die Rechtsstreitigkeiten zwischen dem VN und dem VR über privatrechtliche Pflegeversicherungsverhältnisse (vgl. BT-Drucks 14/5943, S. 24; BVerfG NVwZ 2008, 772). Nach der neueren Rspr. des BSG kommt es für die Rechtswegzuweisung entscheidend darauf an, ob die Vorschriften, die zur Klärung der streitigen Rechtsfragen heranzuziehen und auszulegen sind, zumindest im Grundsatz im SGB XI geregelt sind (BSG NZS 2007, 34 Rn 4).

[6] b) Danach haben die Vorinstanzen zu Recht den Rechtsweg zu den Sozialgerichten als eröffnet angesehen. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, sind die ordentlichen Gerichte nicht deshalb zuständig, weil eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung im Streit steht.

[7] Die private Pflegeversicherung ist wie die soziale Pflegeversicherung im SGB XI durch öffentlich-rechtliche Vorschriften des Sozialrechts geregelt. Zwischen beiden Zweigen besteht ein enger Zusammenhang (vgl. § 23 Abs. 1 SGB XI). Der Inhalt der mit privaten Versicherern abzuschließenden, unter Kontrahierungszwang stehenden Pflegeversicherungsverträge ist im SGB XI im Wesentlichen zwingend gesetzlich vorgeschrieben und damit der autonomen Gestaltung der Vertragsparteien entzogen (BSGE 79, 80 = VersR 1998, 486). Rücktritts- und Kündigungsrechte des Versicherers sind nach § 110 Abs. 4 SGB XI ausgeschlossen, solange der Kontrahierungszwang besteht.

[8] Bei der Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen dem VN und dem VR über ein privates Pflegeversicherungsverhältnis sind stets die den Versicherungsvertrag beherrschenden Vorschriften des SGB XI heranzuziehen und auszulegen. Das gilt auch dann, wenn unmittelbar AVB oder Vorschriften des Zivilrechts (etwa des BGB oder des VVG) im Streit stehen. Die einheitliche Zuweisung aller Streitigkeiten nach dem SGB XI an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit kann dazu führen, dass diese in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung auch über die richtige Anwendung privatrechtlicher Vorschriften zu entscheiden haben (BSGE 79, 80 = VersR 1998, 486).

[9] So liegt es hier. Ob eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung wirksam war, richtet sich zwar zunächst nach zivilrechtlichen Vorschriften (u.a. § 22 VVG, §§ 123 f. BGB). Wenn es um einen Pflegeversicherungsvertrag geht, sind aber stets auch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des SGB XI zu prüfen, insb. der Kontrahierungszwang nach § 23 Abs. 1 SGB XI und die Beschränkungen des Kündigungs- und Rücktrittsrechts nach § 110 Abs. 4 SGB XI, die zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung führen können. Rechtsstreitigkeiten zwischen den Vertragsparteien eines privaten Pflegeversicherungsvertrages über den Fortbestand des Vertrages sind deshalb gem. § 51 Abs. 2 S. 2 i.V.m. S. 1 SGG einheitlich den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen, unabhängig davon, ob im Einzelfall eine Kündigung, ein Rücktritt oder eine Anfechtung in Rede steht und in welchem Stufenverhältnis ggf. mehrere dieser Gestaltungsrechte ausgeübt wurden. …“

zfs 2/2019, S. 91 - 92

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