VVG § 188 Abs. 2
Leitsatz
1. Ob dem Anerkenntnis des VR eine ausreichende ärztliche Feststellung von Invalidität vorausgegangen ist, ist für das Recht auf Neubemessung nicht von Bedeutung.
2. Über das Recht auf Neubemessung ist der VN und nicht die versicherte Person jedenfalls dann zu belehren, wenn der VN die versicherte Person nur zur Entgegennahme der Auszahlung der Versicherungsleistung ermächtigt hat.
3. Die Verjährung des Anspruchs auf Neubemessung beginnt erst dann zu laufen, wenn der VR seine dazu erforderlichen Erhebungen abgeschlossen hat.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Schweinfurt, Urt. v. 18.9.2018 – 24 O 573/16
1 Sachverhalt:
Der Kl macht als VN eine weitere Invaliditätsentschädigung für seine mitversicherte Tochter B.J. geltend, die am 27.10.2010 einen Unfall als Fußgängerin bei grüner Ampel erlitten hatte, als sie von einem Pkw erfasst wurde. Die Unfallanzeige vpm 8.11.2010 enthielt einen vorgedruckten Hinweis auf die bei Erst- und Neubemessung einzuhaltenden Fristen. Der bekl. VR rechnete die Leistungen gegenüber B.J. mit Schreiben vom 26.10.2011 auf der Basis von 1/10 des Armwerts ab und wies dabei auf das Neubemessungsrecht hin. Nachdem der Kl durch die BG erfahren hatte, dass die unfallbedingten Beeinträchtigungen 2/10 des Armwerts betragen sollen, verlangte er am 11.3.2015 Neubemessung und erhob am 5.12.2016 Klage auf weitere Invaliditätsleistungen. Die Bekl. berief sich auf Verfristung und Verjährung.
2 Aus den Gründen:
"… Die Klage ist teilweise begründet. Der Kl. hat Anspruch auf Zahlung weiterer 7.700 EUR über den von der Bekl. außergerichtlich bereits gezahlten Betrag von 7.700 EUR hinaus."
I. Der VN kann im Falle der Invaliditätsentschädigung im Rahmen einer Unfallversicherung sowohl die Erstfestsetzung seitens des VR angreifen und geltend machen, der Grad der Invalidität sei zu dem maßgeblichen Zeitpunkt höher als vom VR anerkannt, als auch eine Neufestsetzung längstens bis zu 3 Jahren verlangen.
Der Vortrag des Kl., der zunächst dahingehend zu verstehen war, dass er beide Rechte geltend machen will, wurde dahingehend konkretisiert, dass der Kl. sein Recht auf Neubemessung geltend machen will.
II. Der Kl. kann nach § 188 VVG i.V.m. Ziff. 2.1., 9.4. AUB im Wege der Neubemessung des Grades der Invalidität über den bereits erhaltenen Betrag von 7.770 EUR die Zahlung einer weiteren Kapitalzahlung wegen Invalidität i.H.v. 7.700 EUR verlangen.
1. Voraussetzung einer Neubemessung ist, dass eine Erstfeststellung des Grades der Invalidität durch Anerkenntniserklärung des VR oder gerichtliche Entscheidung gegeben ist (…).
a) Im vorliegenden Fall ist mit Schreiben vom 26.10.2011 eine Erstfestsetzung des Invaliditätsgrades erfolgt, da die Bekl. in diesem Schreiben abschließend und umfassend zu erkennen gegeben hat, inwieweit und weshalb eine Entschädigungspflicht anerkannt oder abgelehnt wurde.
b) Ob dem Anerkenntnis eine ausreichende ärztliche Feststellung i.S.v. Ziff. 2.1.1.1. AUB vorausgegangen ist, ist im Rahmen der Neubemessung keine Anspruchsvoraussetzung. Selbst wenn, läge diese aber auch vor. Die rechtzeitige ärztliche Feststellung hinsichtlich der eingetretenen Invalidität liegt mit der Erklärung der U-Klinik M vom 14.10.2011 vor. Dort wird festgestellt, dass erstmals am 5.9.2011 ein Dauerschaden festgestellt worden sei, der in einer Bewegungseinschränkung und einem Belastungsschmerz der linken Schulter bestehe. Die Feststellung erfolgte ausweislich des vorhandenen Stempels von der U-Klinik M; das Formular wurde entgegen der Behauptung der Bekl. nicht von der versicherten Person ausgefüllt und unterzeichnet.
An der rechtzeitigen ärztlichen Feststellung ändert sich auch nichts dadurch, dass, wie die Bekl. vorträgt und durch Vorlage des entsprechenden Formulars belegen will, ihr diese ärztliche Feststellung jedenfalls nicht von J.B. übersandt worden ist. Denn der rechtzeitige Zugang der fristgemäßen ärztlichen Feststellung ist nicht erforderlich (…). Zudem lag der Bekl. aber auch der Abschlussbericht der U-Klinik vom 5.9.2011 vor (…), in welchem ebenfalls festgestellt worden ist, dass eine bleibende endgradige Bewegungseinschränkung des linken Armes im Schultergelenk vorliege und eine Invalidität von geringem Grade, den linken Arm betreffend, verbleiben werde.
2. Der Kl. hat sein Recht auf Neubemessung wirksam und fristgerecht ausgeübt.
a) Die Ausübung seines Neubemessungsrechts ist seitens des Kl. im Jahr 2015 jedenfalls vor dem 11.3.2015 ausgeübt worden, wie dem Schreiben der Bekl. vom 11.3.2015 zu entnehmen ist.
b) Das Neubemessungsverlangen erfolgte zwar nicht innerhalb der von § 188 VVG vorgesehenen Dreijahresfrist bis 27.10.2013. Allerdings kann sich die Bekl. auf eine Verfristung des Neubemessungsverlangens nicht berufen (§ 188 Abs. 2 S. 2 VVG). Der Kl. wurde nicht ordnungsgemäß auf sein Recht zur Neubemessung (§ 188 Abs. 1 VVG) hingewiesen.
Die Belehrung über das Recht der Neubemessung ist nach § 188 Abs. 2 S. 1 VVG mit der Leistungsabrechnung gegenüber dem VN zu erteilen. Dies ist nicht erfolgt.
Der zuvor erteilte Hinweis auf das Rec...