RVG § 14; BGB § 315 Abs. 2; StPO § 464b § 467 Abs. 1
Leitsatz
1. Der Rechtsanwalt ist an die einmal getroffene Bestimmung der Rahmengebühren auch dann gebunden, wenn er seiner Bestimmung unrichtige Gebührentatbestände (hier: Gebühren für den ersten Rechtszug in Strafsachen anstelle der höheren Gebühren für die Tätigkeit vor dem Schwurgericht) zugrunde gelegt hat.
2. Damit ist auch eine Nachfestsetzung der Gebührendifferenz im Kostenfestsetzungsverfahren ausgeschlossen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Celle, Beschl. v. 14.11.2019 – 3 Ws 323/19
Sachverhalt
Das LG Stade – Schwurgericht – hat den Angeklagten am 24.9.2018 auf Kosten der Landeskasse rechtskräftig von dem Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, der Brandstiftung sowie des Einbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Diebstahl freigesprochen und der Landeskasse auch seine notwendigen Auslagen auferlegt. In diesem Strafverfahren hat sich der Angeklagte durch Rechtsanwalt B als Verteidiger vertreten lassen, der ihm auch als Pflichtverteidiger bestellt war.
Rechtsanwalt B machte mit Schriftsatz vom 12.10.2018 im Namen des Freigesprochenen Gebühren und Auslagen i.H.v. insgesamt 4.155,09 EUR geltend und beantragte Kostenfestsetzung in dieser Höhe. Dabei machte er für die Hauptverhandlungstermine vom 3., 7., 15., 21. und 28.8.2018 sowie vom 6. und 24.9.2018 jeweils eine Mittelgebühr von 320 EUR gem. Nr. 4114 VV RVG sowie eine Verfahrensgebühr i.H.v. 225 EUR gem. Nrn. 4113, 4112 VV RVG geltend. Nach Anhörung des Bezirksrevisors beim LG Stade setzte der zuständige Rechtspfleger die zu erstattenden Gebühren und Auslagen mit Beschl. v. 3.12.2018 antragsgemäß – unter Berücksichtigung der bereits gezahlten Pflichtverteidigervergütung von 3.505,35 EUR – auf noch auszuzahlende 649,74 EUR fest. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde dem Verteidiger am 6.12.2018 zugestellt und wurde rechtskräftig.
Im Jahre 2019 beantragte Rechtsanwalt B im Namen des Freigesprochenen die Festsetzung weiterer notwendiger Auslagen i.H.v. 2.054,24 EUR mit der Begründung, dass es sich dabei um die Mehrkosten der Mittelgebühren für die Vertretung vor dem Schwurgericht nach Nrn. 4118, 4119 und 4120 VV RVG handele. Bei seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 12.10.2018 habe er diese Gebührentatbestände übersehen und versehentlich die Gebühren für die Vertretung vor der Strafkammer nach den Nrn. 4112 und 4114 VV RVG geltend gemacht.
Die Rechtspflegerin des LG Stade hat diesen Kostenfestsetzungsantrag durch Beschl. v. 21.10.2019 mit der Begründung zurückgewiesen, Rechtsanwalt B sei an sein einmal im Rahmen des § 14 RVG ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der Rahmengebühr gebunden. Der Verteidiger habe auch keinen Gebührentatbestand übersehen. Zudem stehe auch die materielle Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 3.12.2018 einer erneuten Kostenfestsetzung entgegen. Das OLG Celle hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Freigesprochenen zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
"… Il."
Das Rechtsmittel ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Die sofortige Beschwerde ist gem. § 464b S. 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthaft fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist nach § 464b S. 4 StPO erhoben worden. Der Beschwerdeführer ist auch beschwerdebefugt, weil ausweislich der bereits mit Kostenfestsetzungsantrag vom 12.10.2018 vorgelegten Vollmacht von einem Antrag im Namen des vormaligen Angeklagten auszugehen war (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 464b Rn 2). Dies gilt für die sofortige Beschwerde entsprechend.
Der Beschwerdewert von 200 EUR (§ 304 Abs. 3 StPO) ist überschritten. (…)
Der mit der sofortigen Beschwerde verfolgte weitere Auslagenerstattungsanspruch besteht aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die der Senat auch der eigenen Entscheidung zugrunde legt, nicht.
Der Rechtsanwalt ist an sein nach § 14 Abs. 1 RVG einmal ausgeübtes Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden. Denn die Ausübung des Ermessens ist Bestimmung der Leistung durch den Verteidiger und erfolgt gem. § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem Mandanten bzw. der Landeskasse. Die Bestimmung ist rechtsgestaltender Natur, ihre Abgabe somit Ausübung des Gestaltungsrechts. Da das Gestaltungsrecht durch seine Ausübung verbraucht ist, kann die Bestimmung, sobald die Erklärung gem. § 130 Abs. 1 BGB durch Zugang wirksam geworden ist, nicht mehr geändert oder widerrufen werden. Sie ist damit auch für den Verteidiger als Bestimmendem bindend, es sei denn, er hat sich eine Erhöhung ausdrücklich und erkennbar vorbehalten, er ist über Bemessungsfaktoren getäuscht worden oder er hat einen gesetzlichen Gebührentatbestand übersehen (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl. 2019, § 14 Rn 4).
Mit der Geltendmachung der Kostenfestsetzung durch Antrag vom 12.10.2018 war dem Verteidiger damit die Möglichkeit genommen, seinen Antrag “nachzubessern', weil er einen entsprechenden Vorbehalt ni...