Erhebliche Auswirkungen für die Regulierungspraxis hatte die Neuregelung, nach der – anders als zuvor – auch unentgeltlich beförderte Fahrzeuginsassen Ersatzansprüche nach § 7 Abs. 1 StVG gegen den Halter/Fahrer des "eigenen" Fahrzeugs haben. Damit hat der Gesetzgeber eine zuvor bestehende wesentliche Haftungslücke zugunsten der Unfallopfer geschlossen. Gelegentlich wird in der Praxis übersehen, dass solche Ansprüche nicht nur für Insassen von Pkw, sondern auch von Bussen oder Anhängern, wie z.B. bei Karnevalsumzügen, gelten.
Die Reform hat die Rechtsposition der Insassen erheblich verbessert: Sie können nun wählen, ob sie ihre Ansprüche gegen das "eigene" Fahrzeug oder ein ggf. weiteres unfallbeteiligtes Fahrzeug richten, die als Gesamtschuldner i.S.d. § 421 BGB haften. Die nach "alter Rechtslage" immer wieder zu Verärgerung führenden Verweisungen an einen anderen, vermeintlich "eigentlichen" Haftpflichtversicherer sind nun prinzipiell ebenfalls nicht mehr möglich.
Durch diese Neuregelung haben sich die Diskussionen zur Frage der Haftung verstärkt auf den sich anschließenden Innenausgleich zwischen den Geschädigten gegenüber im Außenverhältnis als Gesamtschuldner haftenden Versicherern nach § 426 Abs. 2 BGB verlagert, was letztlich zu mehr gerichtlichen Verfahren zwischen ihnen führt. Erstaunlich ist, dass die verbesserten Möglichkeiten für Insassen, das "eigene" Fahrzeug in Anspruch zu nehmen, auch heute, fast 20 Jahre nach Inkrafttreten der Reform, teilweise immer noch nicht überall bekannt sind, obwohl sie im Regelfall leichter durchsetzbar sind. Das hat für Geschädigte insb. dann sehr negative Folgen, wenn kein weiteres Fahrzeug am Unfall beteiligt ist, wenn z.B. der Fahrer des "eigenen" Autos aus Unachtsamkeit gegen einen Baum gefahren ist.
Dieser Aspekt der Neuregelung im Jahre 2002 hat das Problem verstärkt, ob die nach § 1626 BGB grds. gemeinsam für das Kindeswohl verantwortlichen Eltern ihr Kind auch dann vertreten dürfen, wenn sie als Fahrer des Autos an der Schadensentstehung beteiligt waren. Seine Praxisrelevanz ergibt sich daraus, dass fast 40 % der unter 16-Jährigen als Insassen im elterlichen Fahrzeug geschädigt werden. In der Konstellation ist der beteiligte Elternteil potentieller Schädiger, gegen den das verletzte Kind Ansprüche nach § 7 Abs. 1 StGB hat, zugleich ist er – zusammen mit dem anderen Elternteil – für die Wahrnehmung der Interessen des Kindes verantwortlich. Somit liegt bei ihm eine Interessenskollision i.S.d. § 181 BGB vor. In der Situation hat der Gesetzgeber in §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB wegen der Gefährdung der Kindesinteressen die Vertretungsbefugnis beider Elternteile ausgeschlossen. Die Interessen des Kindes werden stattdessen nach §§ 1909 Abs. 2, 1693 BGB von einem durch das Familiengericht bestellten Ergänzungspfleger wahrgenommen. Unrichtig ist unter dem Aspekt die vereinzelt gebliebene Auffassung des Thüringer OLG, wonach die Eltern berechtigt bleiben sollen, da eine Abfindung seiner Ansprüche für das Kind ausschließlich einen "rechtlichen Vorteil" i.S.d. § 107 BGB darstelle.
Nur am Rande: Auch wenn für das Kind ein Ergänzungspfleger bestellt ist, müssen die Vergleiche ab 3 TSD EUR nach §§ 1915 Abs. 2, 1630, 1822 Nr. 12 BGB dem Familiengericht zur Genehmigung vorgelegt werden. Erfolgt das nicht, ist keine wirksame Vertretung des Kindes gegeben, so dass der Vergleich i.S.d. § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam ist. Ob der Vergleich letztlich Rechtswirkung entfaltet, hängt dann von der unsicheren nachträglichen Genehmigung des Kindes mit Erreichen des 18. Lebensjahres ab. Eine solche Rechtsunsicherheit über ggf. viele Jahre sollte im Interesse von allen an der Regulierung Beteiligten vermieden werden.
Ein weiteres, nach "alter Rechtslage" praktisch nicht praxisrelevantes Problem besteht in der Frage, ob der gleiche Rechtsanwalt gleichzeitig die Interessen des Fahrzeugführers und von in seinem Fahrzeug verletzten Insassen vertreten darf. Dies könnte ebenfalls eine Interessenskollision des Anwaltes i.S.d. § 181 BGB sein, da ihm nach § 43a BRAO untersagt ist, widerstreitende Interessen zu vertreten. Die Folgen einer solchen Kollision bestehen für ihn in berufsrechtlichen Maßnahmen, dem Verlust des Vergütungsanspruchs wegen Nichtigkeit des Mandatsvertrages oder sogar strafrechtlichen Konsequenzen wegen Parteiverrats i.S.d. § 356 StGB. Ob eine solche Interessenskollision in obiger Konstellation vorliegt, ist streitig, wird aber von der herrschenden Meinung in der Literatur richtigerweise bejaht. Das ergibt sich daraus, dass der Anwalt zugleich die entgegengesetzten Belange des Insassen als Unfallopfer und des schädigenden Fahrers wahrnehmen müsste. Da in der BRAO mit der Rechtspflege ein nicht disponibles Rechtsgut geschützt wird, ist dabei entgegen einer vertretenen gegenteiligen Meinung die Zustimmung der Beteiligten zu einer gemeinsamen Vertretung ebenso irrelevant wie eine Begrenzung des Mandates auf ein Vorgehen g...