Vorteilhaft für die Geschädigten ist die im Jahre 2002 vorgenommene deutliche Erhöhung der Haftungshöchstsummen auf jährlich 600 TSD EUR Kapital bzw. 36 TSD EUR Rente bei einer Tötung oder Verletzung in § 12 Abs. 1 StVG. Sie war ein überfälliger Schritt, da die Beträge schon seit 1977 nicht mehr angepasst worden sind. Inhaltlich war die Anpassung wegen der zwischenzeitlich gestiegenen Realkosten geboten und systematisch richtig, da mit dem verschuldensunabhängigen Schmerzensgeld eine zusätzliche Schadensposition zu berücksichtigen ist.
Mit der Reform wurde allerdings nicht das eigentliche grundsätzliche Problem des § 12 Abs. 1 StVG gelöst. Es besteht darin, dass für den Schaden die am jeweiligen Unfalltag geltenden Beträge, nicht also die im Zuge der Regulierung erhöhten Haftungshöchstsummen maßgeblich sind. Je länger also der Schaden zurückliegt, umso weniger auskömmlich sind ggf. die nach § 12 Abs. 1 StVG zur Verfügung stehenden Beträge, da ihnen die aktuellen Kosten gegenüberstehen, die seit dem Unfall, z.B. für Pflegeleistungen und Heilbehandlung, erheblich angestiegen sind.
Reichen die Haftungshöchstsummen nicht für die Regulierung aus, muss ein sog. Kürzungs- und Verteilungsverfahren nach § 12 Abs. 2 StVG durchgeführt werden, bei dem die verschiedenen Gläubiger ggf. nur anteilig befriedigt werden. Der Geschädigte hat insoweit zwar ein grundsätzliches Befriedigungsvorrecht, die älteren Summen des § 12 Abs. 1 StVG reichen jedoch bei sehr schweren Verletzungen gelegentlich auch nicht zur Abdeckung seiner eigenen Ansprüche aus. Das verdeutlicht beispielsweise das Urteil des OLG Celle vom 22.6.2016 als eine der wenigen gerichtlichen Entscheidungen zu dem Thema. Dort galt bei einer noch nicht abgeschlossenen Regulierung nach einem Verkehrsunfall aus dem Jahre 1994 nach § 12 Abs. 1 StVG noch ein jährlicher Kapitalbetrag von 500 TSD DM bzw. 30 TSD DM an Rente. Betrachtet man die dem gegenüberstehenden konkreten Entschädigungskosten, sind solche Beträge oft nur ein "Tropfen auf den heißen Stein".
Der Gesetzgeber hat die Beträge des § 12 Abs. 1 StVG seit der Reform des Jahres 2002 weiter nach oben angepasst, aber auch systematisch neu gefasst. Heute gilt ein einheitlicher Betrag für das gesamte Schadensereignis, d.h. es wird anders als früher nicht mehr zwischen Kapitalbetrag und Rente differenziert. Aktuell beträgt die Summe 5 Mio. EUR für Personenschäden und 1 Mio. EUR für Sachschäden. Nur bei einer entgeltlichen, geschäftsmäßigen Personenbeförderung erhöht sie sich bei mehr als acht Getöteten bzw. Verletzten um 600 TSD EUR für jede weitere Person.
Per 16.6.2017 erfolgte zuletzt, quasi im Vorgriff auf das sich abzeichnende automatisierte Fahren, die Normierung einer Summe von 10 Mio. EUR für Unfälle bei "Verwendung einer hoch- oder vollautomatischen Fahrfunktion" i.S.d. § 1a StVG. Meines Erachtens ist es zwar richtig, dass der Gesetzgeber auf die diesbezüglichen Risiken reagiert, die erfolgte Differenzierung der Höhe zwischen "klassischer" und "automatisierter" Verursachung eines Schadens erscheint allerdings nicht logisch, da die Schäden ihrer Höhe nach identisch sind.
Nur am Rande der Hinweis, dass es unter dem Aspekt des § 12 Abs. 1 StVG auch nach der Schadensersatzreform im Jahre 2002 doch weiter darauf ankommt, ob der Unfall schuldhaft verursacht wurde. Nur wenn die Frage verneint wird, also lediglich eine Haftung aus der Betriebsgefahr des Fahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StVG gegeben ist, gelten die niedrigen Haftungshöchstgrenzen des § 12 Abs. 1 StVG. Probleme könnten sich vor dem Hintergrund ergeben, wenn Gerichte die Frage des Verschuldens bei einer schweren Verletzung dahinstehen lassen, u.a. weil es beim Schmerzensgeld nicht mehr darauf ankommt. Bei massiven Spätschäden des Geschädigten viele Jahre später, deren Regulierung die Summen des StVG überschreitet, kann es dann weitere Diskussionen zu der maximalen betragsmäßigen Einstandspflicht des Schädigers bzw. dessen Versicherers kommen.