ZPO § 287; VVG § 5a a.F.
Leitsatz
Der Versicherer kann sich gegenüber einem die Abschluss- und Verwaltungskosten betreffenden Prämienrückzahlungsanspruch des Versicherungsnehmers nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 13.11.2019 – IV ZR 324/16
Sachverhalt
Die Kl. fordert aus abgetretenem Recht von der Bekl. Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung sowie Nutzungsersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung. Der VN Z. schloss mit der Rechtsvorgängerin der Bekl. eine kapitalbildende Rentenversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1.5.1998 nach dem sog. Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) ab. Nach den Feststellungen des BG steht nicht fest, dass der VN mit Übersendung des Versicherungsscheins eine Verbraucherinformation gem. § 10a VAG a.F. erhielt.
In der Zeit von Mai 1998 bis Mai 2002 zahlte er Prämien i.H.v. insgesamt 138.466,01 EUR. Ab dem Jahr 2002 stellte er die Versicherung beitragsfrei und leistete keine weiteren Zahlungen mehr. Mit Vereinbarung vom 26.4.2004 trat der VN die Ansprüche aus der Rentenversicherung an die Kl. ab. Diese übersandte der Rechtsvorgängerin der Bekl. eine Abtretungsanzeige und bat darum, die Police auf sie als neue VN zu übertragen und der Vertragsübernahme zuzustimmen. Die Kl. erklärte zum 1.5.2004 die Kündigung des Versicherungsvertrages. Daraufhin zahlte die Bekl. den Rückkaufswert i.H.v. 86.091,70 EUR an die Kl. aus.
Mit Schreiben vom 22.5.2014 erklärte die Kl. den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. und forderte die Bekl. zur Rückabwicklung auf. Nach Auffassung der Kl. war sie noch im Jahr 2014 zum Widerspruch berechtigt, weil der VN keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung und keine vollständige Verbraucherinformation erhalten habe. Mit der Klage hat sie zuletzt Rückzahlung von Versicherungsprämien i.H.v. 52.374,31 EUR zuzüglich einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 98.880,59 EUR, jeweils nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, seit dem 24.5.2014 begehrt.
2 Aus den Gründen:
"…"
[15] 1. Das Berufungsurteil kann hinsichtlich der Schätzung der von der Bekl. aus den Sparanteilen der Prämien gezogenen und herauszugebenden Nutzungen auf 15.070 EUR keinen Bestand haben.
[16] a) Die Höhe der Nutzungszinsen kann gem. § 287 ZPO geschätzt werden (vgl. Senat r+s 2016, 20 Rn 32 …). Die Schätzung der Höhe des Nutzungszinsanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Zinsbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH r+s 2012, 515 Rn 9; r+s 2012, 565 Rn 6 …). Der Tatrichter hat insb. zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen (BGH r+s 2014, 630 Rn 17 m.w.N.).
[17] b) Das BG hat keine für die Schätzung der Nutzungen zureichenden Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt. Auf die in der mündlichen Verhandlung erhobene Gegenrüge bezüglich der Nutzungen aus den nicht verbrauchten Abschluss- und Verwaltungskosten kommt es somit nicht an.
[18] aa) Das BG ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn dem VN bei kapitalbildenden Lebensversicherungen als tatsächlich gezogene Nutzung zusteht (Senat r+s 2016, 20 Rn 51), und hat insoweit den von der Bekl. angegebenen Betrag von 83.721,85 EUR angesetzt.
[19] bb) Die vom BG unter Zugrundelegung der von dem Privatgutachter der Kl. erstellten Stellungnahme vom 1.2.2015 vorgenommene Schätzung der Nutzungen aus den Sparanteilen auf der Grundlage eines mittleren Zinsdatums (1.5.2001) und einer mittleren Verzinsung von 6 % lässt aber keinen plausiblen Maßstab erkennen. Diese Schätzung ist schon deshalb nicht sachgerecht, weil das BG keine schlüssigen Berechnungsparameter zugrunde gelegt hat. Es hat zunächst auf die in dem von der Kl. vorgelegten Gutachten genannten, den veröffentlichten Geschäftsberichten der Bekl. und ihrer Rechtsvorgängerin entnommenen Zinssätze Bezug genommen. Es hat die Berechnung des Privatgutachters indes seinem Urteil im Weiteren nicht zugrunde gelegt, sondern stattdessen eine “mittlere Verzinsung' von 6 % angenommen und bezogen auf ein “mittleres Zinsdatum' am 1.5.2001 einen – rechnerisch nicht nachvollziehbaren – Betrag von 15.070 EUR ermittelt. Das BG wird nunmehr die aus den Sparanteilen gezogenen Nutzungen auf der Grundlage schlüssiger Bemessungsfaktoren zu schätzen und dabei den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen zu geben haben.
[20] 2. Eine von der Bekl. (im Anschluss an KG r+s 2015, 179, 183; so auch Brambach r+s 2017, 1, 3; Schmitz-Elvenich VersR 2017, 266, 270) geforderte Saldierung der – von ihr mit 54.743,95 EUR bezifferten – Abschluss- und Verwaltungskosten mit den Nutzungen hat das BG hingegen zu Recht abg...