AuslPflVersG § 2 Abs. 1 lit. b § 6 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 4
Leitsatz
1) Im Verkehrsunfallrechtsstreit ist der Haftpflichtversicherer aufgrund der ihn nach § 138 ZPO treffenden Prozessförderungs- und Wahrheitspflicht verpflichtet, Erkundigungen bei seinem VN einzuziehen, sodass er sich ohne den Versuch von Aufklärungsmaßnahmen nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen darf.
2) Bei dem Verdacht einer Unfallmanipulation darf der dem Rechtsstreit seines VN und des Schädigers als Streitgenosse oder Streithelfer beitretende Haftpflichtversicherer selbst entgegen der Darstellung seines VN den behaupteten Unfall mit Nichtwissen bestreiten.
3) Hatten der ausländische Fahrer und Halter des unfallbeteiligten ausländischen Fahrzeugs gegenüber ihrer ausländischen Haftpflichtversicherung durch fehlende Aufklärung über den Unfallhergang eine Obliegenheitsverletzung begangen, ist das für die Rechtsbeziehung des Geschädigten nach dem Grüne-Karte-System ohne Einfluss.
Der Geschädigte darf hierdurch keine Schlechterstellung im Vergleich zu einem Geschehen mit rein nationaler Beteiligung erfahren.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Berlin, Hinweisbeschl. v. 14.2.2019 – 45 S71/18
Sachverhalt
Der in Deutschland zugelassene Lkw des Kl. wurde auf einem Firmengelände in Russland durch einen in Russland zugelassenen Lkw einer russischen Spedition beschädigt. Kraftfahrthaftpflichtversicherer der russischen Zugmaschine war eine Gesellschaft in Russland. Die eingeschaltete russische Polizei nahm den Unfall nicht auf, da er sich auf einem privaten Firmengelände ereignet hatte, überließ aber dem Fahrer des deutschen Lkw u.a. die Versicherungskarte des russischen Lkw und den Führerschein des Fahrers des russischen Lkw.
Das für die Regulierung eingeschaltete Deutsche Büro Grüne Karte e.V. übergab die Regulierung an ein später klagendes privates Regulierungsbüro. Dieses setzte sich mit der russischen Haftpflichtversicherung in Verbindung, um Informationen zum Unfallhergang zu erhalten.
Eine Antwort der russischen Haftpflichtversicherung blieb aus. Sie lehnte nur die Regulierung ab.
Das beklagte Büro bestritt den Vortrag des Geschädigten mit Nichtwissen und führte zur Begründung fehlende Informationen des Fahrers der russischen Zugmaschine und deren Haftpflichtversicherung an.
Das AG lehnte die Zulässigkeit eines Bestreitens mit Nichtwissen ab und verurteilte das beklagte Büro Grüne Karte.
Im Hinweisbeschluss bejahte das LG einen Anspruch des Kl. und die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung der Bekl.
2 Aus den Gründen:
"I. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Denn das AG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung der Bekl. bietet keine Aussicht auf Erfolg. Auch nach Würdigung des Berufungsvorbringens steht der Kl. ein Anspruch gem. §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG, §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB auf Zahlung von Schadensersatz in vollem Umfang gegen die Bekl., die gem. §§ 2 Abs. 1 lit. B), 6 Abs. 1 AuslPflVersG die Pflichten eines Haftpflichtversicherers übernimmt, in der geltend gemachten Höhe zu."
Die mit der Berufungsbegründung gerügten Fehler bei der Wertung des Parteivorbringens durch das AG sind nicht gegeben. Das AG hat zutreffend das Bestreiten der Bekl. mit Nichtwissen gem. § 138 ZPO für nicht zulässig erachtet und folgerichtig bei der Prüfung der Haftung eine Beschädigung des Lkw der Kl. durch das streifende Vorbeifahren der russischen Zugmaschine mit dem Kennzeichen (…), für deren Haftpflichtversicherung die Bekl. eintritt, zugrunde gelegt.
Dabei kommt es nicht einmal entscheidend darauf an, ob das Bestreiten des Unfallhergangs und einer Beteiligung des russischen Lkw mit Nichtwissen durch die Bekl. als solches zulässig ist. Das Bestreiten der Bekl. ist jedenfalls nicht erheblich. Die Bekl. haben keinen abweichenden Unfallhergang plausibel und ausreichend geschildert und auch nicht vorgetragen, warum der auf den eingereichten Fotos abgebildete russische Lkw, der in unmittelbarer Nähe zum beschädigten Lkw der Kl. auf einem Firmengelände steht, nicht am Unfall beteiligt gewesen sein soll.
Hingegen hat die Kl. schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen, wie der russische Lkw an ihren Lkw gestoßen ist. Für dessen Beteiligung hat sie nicht nur das Foto eingereicht, das die Fahrzeuge in beschädigtem Zustand mit in deren Nähe liegenden Fahrzeugteilen zeigt, sondern auch die Kopie der Fahrerlaubnis und des Ausweises des Fahrers des Lkw.
1. Ein Bestreiten des Bekl. mit Nichtwissen erfolgte entgegen § 138 Abs. 4 ZPO und ist somit, wie vom AG angenommen, unzulässig.
Denn der Bekl. kann sich – wie der Haftpflichtversicherer des in Russland zugelassenen Lkw – auf ein Nichtwissen zu dem Unfallhergang nicht berufen.
Der Haftpflichtversicherer ist aufgrund seiner aus § 138 ZPO erwachsenden Pro...