"… Auch die Gegenerklärung führt zu keiner anderen Bewertung."
Die Behauptung “ein Verweis auf den Inhalt einer Urkunde (vorliegend das Messbild mit den Messdaten – Ergänzung des Senats) nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ist ausgeschlossen' ist zutreffend.
Die Verteidigung übersieht nur, dass das AG das auch nicht getan hat. Der Verweis nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO bezieht sich auf das Lichtbild und nicht auf die ebenfalls dort sichtbaren Messdaten. Dem Verteidiger ist erkennbar aus dem Blick geraten, dass § 267 Abs. 1 S. 3 StPO dazu dient, ein Lichtbild, das in der Akte ist, zum Teil der Urteilsurkunde zu machen, so dass der Senat es in der Rechtsbeschwerde einsehen darf, was ihm sonst verwehrt ist. Es ist eine Vorschrift, die der Urteilsdarstellung für die Rechtsmittelverfahren dient. Im Prozess selbst hat diese Vorschrift keine Bedeutung. Dort sind Lichtbilder in Augenschein zu nehmen und Urkunden zu verlesen. Sollte das Tatgericht dagegen verstoßen haben, ist dies mit einer zulässigen Verfahrensrüge vorzutragen. Dies hat die Verteidigung nicht getan.
Auch die Rüge, das AG habe den Messbeamten nicht geladen, greift nicht durch. Der Messbeamte muss nicht geladen werden, wenn das Messprotokoll die für die Entscheidung notwendigen Angaben enthält. Es ist sogar untunlich in diesem Fall den Messbeamten zu laden, da seine Zeugenaussage für das Verfahren keine Relevanz hat. Die Zeugenladung ist nämlich kein Selbstzweck. Will die Verteidigung den Messbeamten hören, hat sie einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen, bei dem Tatsachen benannt werden müssen, die die Ladung notwendig machen. Die bloße Behauptung, den Messbeamten zu dem Messprotokoll befragen zu wollen, oder wie vorliegend “die Angelegenheit sei so bedeutend, dass der Messbeamte von Amts wegen zu laden sei' findet im Gesetz keine Stütze.
Die Verteidigung übersieht auch hier, dass das Gericht nur die Beweismittel beiziehen muss, die es – das heißt: das Gericht und nicht die Verteidigung – für unabdingbar hält, um eine Entscheidung treffen zu können. Sieht die Verteidigung zusätzlich aufklärungsbedürftige Tatsachen, sieht das Gesetz entsprechende Regelungen vor, diese im Prozess geltend zu machen. Dazu gehört allerdings, dass die Verteidigung sich der Mühe unterzieht, dies auch prozessordnungsgemäß vorzutragen. Der Senat sieht sich erneut veranlasst darauf hinzuweisen, dass Behauptungen, Mutmaßungen und Meinungen keine verhandlungsbedürftigen Tatsachen sind. Gerichte entscheiden und bewerten nur Tatsachen.
Auch der Einwand gegen die Verurteilung wegen Vorsatzes geht ins Leere. Der Betr. ist statt der durch einen Geschwindigkeitstrichter angeordneten 60 km/h unter Missachtung von 4 Verkehrsschildern 119 km/h gefahren. Hier ist eine Verurteilung wegen Vorsatzes zwingend, zumal dem Geschwindigkeitstrichter auch noch eine Begründung, nämlich “BAG Lkw Kontrolle', hinzugefügt worden war.
Der Einwand der Verteidigung, “der Betr. habe deswegen gemeint, die Geschwindigkeitsbeschränkung beziehe sich nur auf die Lkws', offenbart neben einer bestürzenden Unkenntnis von Verkehrsregelungen, die eine Nachprüfung der Fahrerlaubnis erforderlich erscheinen lässt, insb. eine erschreckende Einstellung zu Verkehrsvorgängen. Wenn bei einer zweispurigen Autobahn eine Lkw-Kontrolle durchgeführt wird, kommt auf der rechten Spur der Verkehr automatisch zum Erliegen. Es ist sowohl für den übrigen Verkehr als auch für die Lkw-Fahrer und die kontrollierenden Beamten geradezu überlebenswichtig, den Gesamtverkehr soweit in der Geschwindigkeit zu reduzieren, dass auf die durch die Kontrolle notwendigen atypischen Verkehrsvorgänge reagiert werden kann. Wer sich wie der Betr. darüber hinwegsetzt, alleine um des schnelleren Fortkommens willen, und mit nahezu doppelter Geschwindigkeit durch die Messstelle rast, offenbart eine derartige Rücksichtslosigkeit, dass das Fahrverbot von “nur' einem Monat vorliegend rechtlich die denkbar niedrigste Sanktion ist. Geboten wäre bei einer solchen Einlassung ein mehrmonatiges Fahrverbot. Wegen des Verschlechterungsverbots ist der Senat daran allerdings gehindert.“
zfs 2/2020, S. 111 - 112