RVG § 33 Abs. 8 S. 1 § 45 Abs. 1 u. 3 § 46 Abs. 1 u. 2 § 47 § 56 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
1. Unterlässt es der Verteidiger, die Erforderlichkeit der Notwendigkeit seiner Auslagen vor Entstehen dieser durch das Gericht feststellen zu lassen, steht dies einer Anerkennung der Auslagen im Kostenfestsetzungsverfahren als notwendig nicht entgegen.
2. Die Kosten für den Erwerb einer BahnCard 50 können jedenfalls in lang andauernden Verfahren notwendige Auslagen darstellen, wenn sich der Erwerb der BahnCard 50 bereits nach wenigen Fahrten des Verteidigers amortisiert.
OLG Celle, Beschl. v. 21.12.2020 – 4 StE 1/17
Sachverhalt
Mit Antrag v. 20.11.2020 hat Rechtsanwalt Dr. K. für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten A. im Wege des Vorschusses Gebühren für die Teilnahme an 9 Hauptverhandlungsterminen geltend gemacht. Zudem hat er die Festsetzung von Reiseauslagen beantragt. Die ebenfalls als Vorschuss geltend gemachten Aufwendungen des Rechtsanwalts für eine BahnCard 50 für den Zeitraum v. 8.11.2020 bis 7.11.2021 i.H.v. 432 EUR nebst MwSt. hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des OLG Celle mit Verfügung v. 3.12.2020 abgesetzt, weil ein Beschluss über die Erforderlichkeit dieser Aufwendungen nicht vorläge. Die hiergegen gerichtete Erinnerung von Rechtanwalt Dr. K., der die Kostenbeamtin nicht abgeholfen hat, hatte beim OLG Celle Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… III. Die Erinnerung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg."
1. Dass der ASt. vor Festsetzung seiner Auslagen im Wege des Vorschusses keinen Antrag auf Feststellung der Erforderlichkeit nach § 46 Abs. 2 S. 1 RVG gestellt hat, steht der Festsetzung nicht entgegen. Eine solche Feststellung entbindet im erfolgenden Fall lediglich den Kostenbeamten von der Prüfung, ob die geltend gemachten Auslagen für eine sachgemäße Durchführung der Angelegenheit notwendig waren. Wird eine solche Entscheidung nicht beantragt oder lehnt das Gericht einen Antrag nach § 46 Abs. 2 RVG ab, verbleibt es bei der durch den Kostenbeamten nach § 55 RVG durchzuführenden Prüfung in eigener Verantwortung.
2. Die vom ASt. geltend gemachte Festsetzung war in der ausgesprochenen Höhe vorzunehmen.
a) Zwar sind Aufwendungen für eine BahnCard nach h.M. als allgemeine Geschäftskosten auch nicht anteilig erstattungsfähig (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., VV 7003-7006, Rn 46 m.w.N.). Der Senat hat aber im vorliegenden Verfahren, in welchem die Hauptverhandlung über drei Jahren andauert, bereits mehrfach das Erfordernis des Erwerbs einer BahnCard durch die auswärtigen Verteidiger festgestellt (vgl. hinsichtlich des ASt. Beschl. des Senats v. 20.10.2017, 14.3.2019 und 23.9.2019). Bei dem Preis, den der ASt. für einen Einzelfahrschein ohne BahnCard-Ermäßigung bezahlen und der ihm sodann als erforderliche Aufwendung ersetzt werden müsste, ist der für die BahnCard 50 aufzuwendende Betrag bereits nach der siebten bis achten Fahrt amortisiert. Insoweit entspricht die vom ASt. getätigte Aufwendung der ihm zukommenden Pflicht zur kostenschonenden Gestaltung seiner notwendigen Geschäftsreisen.
b) Gem. VV 7008 RVG war auf den vom ASt. geltend gemachten Nettobetrag die Mehrwertsteuer ergänzend festzusetzen.
IV. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (vgl. § 56 Abs. 2 S. 2 RVG).
Diese Entscheidung ist gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 3 RVG unanfechtbar.“
Mitgeteilt vom 4. Strafsenat des OLG Celle
3 Anmerkung:
Der Einzelrichter des OLG Celle hat eine praxisgerechte Entscheidung getroffen, die der kostensparenden Verfahrensweise des Verteidigers und auch den Interessen der Staatskasse Rechnung trägt. Zur Vermeidung von Missverständnissen soll hier auf einige Probleme näher eingegangen werden.
I. Gesetzliche Grundlagen des Vergütungsanspruchs
Der im Wege der Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe oder vom Gericht sonst beigeordnete Rechtsanwalt wie hier der Verteidiger erhält gem. § 45 Abs. 1 RVG die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse, soweit in den nachfolgenden gesetzlichen Vorschriften des RVG nichts anderes bestimmt ist. § 46 Abs. 1 RVG trifft für die Auslagen des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts die Regelung, dass Auslagen, insb. Reisekosten, aus der Staatskasse nicht vergütet werden, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Da der beigeordnete oder bestellte Anwalt, der zunächst Reiseauslagen aufwendet und diese nach Durchführung der Reise gegen die Staatskasse geltend macht, das Risiko trägt, dass diese Auslagen dann im Festsetzungsverfahren gem. § 55 Abs. 1 RVG nicht als erforderlich angesehen werden, kann er gem. § 46 Abs. 2 S. 1 RVG eine vorherige diesbezügliche Feststellung des Gerichts beantragen. Hat das Gericht seinem Antrag entsprechend festgestellt, dass die Reise erforderlich ist, ist diese positive Feststellung für das Festsetzungsverfahren gem. § 55 RVG bindend. Allerdings hat dort der UdG die Höhe der aufgewandten Reisekosten zu überprüfen. So kann er beispielsweise beanstanden, dass der Rechtsanwalt kein...