BGB § 249 § 826 § 849; ZPO § 256
Leitsatz
1. Deliktszinsen nach § 849 BGB können nicht verlangt werden, wenn der Geschädigte für die Hingabe seines Geldes im Wege des Leistungsaustauschs eine in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbare Gegenleistung erhält. In diesem Fall kompensiert die tatsächliche Nutzbarkeit der Gegenleistung die Nutzungsmöglichkeit des Geldes.
2. Zu den Voraussetzungen einer auf den Ersatz künftiger Schäden gerichteten Feststellung bei einem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB (hier: VW-Diesel-Fälle).
BGH, Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 397/19
Sachverhalt
Die Kl. erwarb aufgrund eines Kaufvertrages im Jahre 2014 von einem Händler einen gebrauchten, von der Bekl. hergestellten VW Golf mit einer Laufleistung von 23.085 km. In dem Fahrzeug war ein Dieselmotor des Typs EA 189 eingebaut, der bei der Abgasprüfung entsprechend der Manipulation des Dieselabgasskandals mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand vorgeführt wurde. Das Kraftfahrtbundesamt gab nach Auswertung der der unzulässigen Abschalteinrichtung zugrunde liegenden Software der Bekl. die Beseitigung der unzulässigen Software auf. Die Bekl. entwickelte daraufhin ein Software-Update, das die Kl. im Jahre 2017 aufspielen ließ: Die Kl. bot der Bekl. die Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile an. Das lehnte die Bekl. ab.
Mit der Klage hat die Kl. die Erstattung des von ihr gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen i.H.v. 4 % ab Zahlung bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit sowie ab Rechtshängigkeit Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges verfolgt. Darüber hinaus hat die Kl. den Ausspruch der Feststellung begehrt, dass die Bekl. der Kl. alle weiteren Schäden zu ersetzen hat, die sich aus dem Erwerb das Fahrzeuges ergeben und dass sich die Bekl. mit der Entgegennahme des Fahrzeuges im Annahmeverzug befinde. Weiterhin begehrt die Kl. die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Das OLG sprach der Kl. Deliktszinsen aus dem gezahlten Kaufpreis, vermindert um die gezogenen Nutzungen des Fahrzeugs sowie Rechtshängigkeitszinsen zu, und bestätigte das landgerichtliche Urteil, das die Zahlungspflicht der Bekl. Zug um Zug gegen die Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges ausgesprochen hatte.
Hiergegen richten sich die Revisionen der Kl., die ihren Klageantrag weiter verfolgt, soweit er abgewiesen worden ist und die der Bekl., die sich gegen ihre Verurteilung zur Erstattung des von der Kl. um die Nutzungsvorteile reduzierten Kaufpreises, zur Zahlung der Deliktszinsen sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Bekl. zum Ersatz künftiger Schäden und des Annahmeverzuges richtet. Die Revision der Kl. hatte nur teilweise Erfolg, die der Bekl. war nur hinsichtlich der angegriffenen Verurteilung zur Zahlung des reduzierten Kaufpreises erfolglos.
Aufgrund einer fehlerhaften Berechnung der Laufleistung des Pkw wurde das Berufungsurteil in diesem Punkt aufgehoben und insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BG zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
"…"
[10] 1. Keinen Erfolg hat die Revision der Bekl., soweit sie sich gegen die Verurteilung der Bekl. zur Erstattung des von der Kl. gezahlten, um die Nutzungsvorteile verminderten Kaufpreises wendet. Dem BG sind insoweit keine Rechtsfehler zum Nachteil der Bekl. unterlaufen.
[11] a) Wie der erkennende Senat mit Urt. v. 25.5.2020 (NJW 2020, 1962 Rn 16 ff.) bereits entschieden hat, handelt es sich bei der nach den Feststellungen des BG auch im Streitfall von der Bekl. verbauten Motorsteuerungssoftware um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 der VO (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl 2007 L 171, 1 ff.). Das auf der Grundlage einer strategischen unternehmerischen Entscheidung unter bewusster Missachtung gesundheits- und umweltschützender Rechtsvorschriften erfolgende fortgesetzte Herstellen und Inverkehrbringen derart bemakelter, von einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung bedrohter Fahrzeuge, deren Typgenehmigung durch eine Täuschung der zuständigen Behörde erschlichen worden war, stellt im Verhältnis zu den arglosen Fahrzeugkäufern ein objektiv sittenwidriges Verhalten i.S.v. § 826 BGB dar; es steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Käufer wertungsmäßig gleich.
[12] Dieses das Verhalten der Bekl. betreffende Sittenwidrigkeitsurteil wird auch im Streitfall in Bezug auf die Schädigung der arglosen Kl. von den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen im Berufungsurteil getragen. Insbesondere haben die für die Abgasmanipulation verantwortlichen Personen der Bekl. nach den revisionsrechtlich hinzunehmenden Feststellungen mit der Abschaltvorrichtung ein System zur planmäßigen Verschleieru...