RVG § 45 Abs. 1 S. 1 § 55 Abs. 1 u. 5; ZPO § 104; BGB § 288 Abs. 5
Leitsatz
Dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt steht gegen die Staatskasse bei – vermeintlich – verspäteter Zahlung der Vergütung weder ein Anspruch auf Verzinsung der Vergütung noch eine Verzugspauschale gem. § 288 Abs. 5 BGB zu.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LAG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13.10.2020 – 4 Ta 71/20
Sachverhalt
Das ArbG Magdeburg hatte der Kl. durch Beschl. v. 25.4.2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts M. bewilligt. Am 15.5.2019 hat Rechtsanwalt M. beim ArbG Magdeburg einen Antrag auf Festsetzung der ihm aus der Landeskasse zustehenden PKH-Anwaltsvergütung gestellt. Mit weiterem mit dem Datum v. 15.5.2019 versehenen und beim ArbG Magdeburg am 25.6.2019 eingegangenem Antrag hat der Rechtsanwalt seinen Festsetzungsantrag in Form einer Mahnung wiederholt und neben der erneut beantragten Vergütung auch einen Anspruch auf eine Verzugspauschale gem. § 288 Abs. 5 BGB i.H.v. 40 EUR geltend gemacht. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des ArbG Magdeburg hat am 27.6.2019 die beantragte Vergütung ohne die Verzugspauschale festgesetzt. Hiergegen hat Rechtsanwalt M. unter Hinweis auf eine Entscheidung des BSG v. 27.6.2017 – B 2U 13/15 R – BSGE 123,238 = NZS 2018, 275, nach der § 288 BGB auf öffentlich-rechtliche Vergütungsansprüche anzuwenden sei, Erinnerung eingelegt Außerdem hat er auf die Richtlinie 2000/35/EG v. 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr hingewiesen. Das ArbG Magdeburg hat die Erinnerung zurückgewiesen und in seinem Beschluss die Beschwerde zugelassen. Die hieraufhin von Rechtsanwalt M. eingelegte Beschwerde, der das ArbG Magdeburg nicht abgeholfen hat, hat das LAG Sachsen-Anhalt zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
"… II."
[8] Die von dem ArbG Magdeburg gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG zugelassene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Kl. ist unbegründet.
[9] 1. Gem. § 45 Abs. 1 S. 1 RVG steht dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse des Landes Sachsen-Anhalt zu, da das Verfahren vor einem Gericht des Landes Sachsen-Anhalt betrieben worden ist. Gem. § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen und Vorschüsse bestimmt sich ausschließlich nach § 55 RVG.
[10] a) Während bei der in § 11 RVG geregelten Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung gegen den Auftraggeber gem. § 11 Abs. 2 S. 3 RVG i.V.m. § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO auf Antrag die Verzinsung des festgesetzten Betrages mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB angeordnet wird (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 11 RVG Rn 256), verweist § 55 Abs. 5 S. 1 RVG nicht auf § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO, sondern nur auf § 104 Abs. 2 ZPO. Dies hat zur Folge, dass eine Verzinsung des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts in keinem Fall auszusprechen ist (Müller-Rabe, a.a.O., § 55 RVG Rn 57; Sommerfeldt in BeckOK RVG, § 55 RVG Rn 47). Auch das LSG Thüringen kommt in seinem Beschl. v. 15.6.2015 – L 6 SF 723/15 B, RVGreport 2015, 421 (Hansens) = AGS 2015, 415 zu dem Ergebnis, dass eine Verzinsung für beigeordnete Rechtsanwälte gem. § 55 RVG nicht in Frage kommt, weil hierfür im Gesetz keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist.
[11] b) Wenn schon die Verzinsung des Gebührenanspruchs des beigeordneten Rechtsanwaltes deswegen ausscheidet, weil im RVG keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist, gilt dies erst recht für den Unterfall der gesetzlichen Verzinsung bei Verzug, der Verzugspauschale des § 288 Abs. 5 BGB. Auch deren Anwendung ist in den §§ 48 bis 55 RVG nicht vorgesehen, eine entsprechende Festsetzung scheidet deshalb aus.
[12] 2. Eine direkte Anwendung der §§ 286, 288 Abs. 5 BGB scheidet deshalb aus, weil zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Kl. und der Landeskasse des Landes Sachsen-Anhalt kein vertragliches Schuldverhältnis besteht. Zu keinem Zeitpunkt wurde zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Kl. und der Landeskasse eine Vereinbarung über die Erbringung von Rechtsanwaltsleistungen geschlossen. Die von dem Prozessbevollmächtigten der Kl. angezogene Vorschrift des § 288 Abs. 5 BGB steht im 2. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches, welches mit “Recht der Schuldverhältnisse' überschrieben ist.
[13] Auch unter Beachtung der von dem Prozessbevollmächtigten der Kl. angeführten Entscheidung des BSG v. 27.6.2017 – B 2 U 13/15 R, BSGE 123,238 = NZS 2018,275 scheidet auch eine entsprechende Anwendung des § 288 Abs. 5 BGB aus. Die Entscheidung des BSG beschäftigt sich mit einem Zinsanspruch aus einem von der dortigen Bekl. anerkannten Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag und sieht in der von ihm zu beurteilenden Fallkonstellation eine planwidrige Gesetzeslücke (a.a.O., Rn 15). Eine solche durch die Rspr. auszufüllende planwidrige Gese...