VVG § 28 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4; AKB E 7.1. 7.2.
Leitsatz
1. Verweigert sich der anwaltlich vertretene Versicherungsnehmer im Entwendungsfall grundlos der Aufforderung seines Kfz-Kaskoversicherers, Belege über die Entrichtung des Kaufpreises des versicherten Fahrzeugs vorzulegen, nachdem hierzu widersprüchliche Angaben erfolgt waren, und die bei ihm vorhandenen Fahrzeugschlüssel zu Untersuchungszwecken herauszugeben, kann dies eine zur vollständigen Leistungsfreiheit führende arglistige Verletzung der Auskunftsobliegenheit begründen.
2. In diesem Zusammenhang abgegebene Erklärungen seines bei der Schadensabwicklung als Wissenserklärungsvertreter agierenden Rechtsanwalts muss sich der Versicherungsnehmer zurechnen lassen.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 2.9.2020 – 5 U 94/19
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Entschädigungspflicht des beklagten VR aus einer bei ihm unterhaltenen Fahrzeugversicherung für einen BMW X6. Der Kl. behauptet, unbekannte Täter hätten während seiner Urlaubsabwesenheit im Mai 2018 eine Seitenscheibe des in einer verschlossenen Garage abgestellten BMW eingeschlagen und verschiedene Fahrzeugteile ausgebaut und entwendet. Die Bekl. zweifelt dies an.
In einem Einsatzbericht des in der Diebstahlssache ermittelnden Polizeikommissars M. v. 22.5.2018 ist unter anderem festgehalten, der Wert des Fahrzeugs bei Ankauf durch den Geschädigten habe 22.500 EUR betragen und dieser habe angegeben, er habe es vor ca. ein bis eineinhalb Monaten bei mobile.de inseriert, sich dann aber entschlossen, es doch nicht zu verkaufen.
Im Rahmen der Leistungsprüfung der Bekl. erklärte der Kl. zunächst, er könne den Kaufvertrag nicht auffinden. Die Bekl. wies ihn mit Schreiben v. 28.5.2018 darauf hin, dass zum Nachweis von Schadensgrund und -höhe auch die Erwerbsmodalitäten zählten. Daraufhin übersandte der Kl. eine Vertragsurkunde v. 16.1.2018, die einen Kaufpreis von 35.000 EUR auswies. Unter dem 6.6.2018 bat die Bekl. den Kl. um Erläuterung, wieso er mitgeteilt habe, er habe das Fahrzeug vor dem Schadensfall für 26.000 EUR über mobile.de weiterverkaufen wollen, wenn er selbst es kurz zuvor für 35.000 EUR erworben habe. Der Kl. antwortete, er sei zum Zeitpunkt der Mitteilung psychisch instabil gewesen und habe sich wohl versprochen; tatsächlich habe er für 37.000 EUR verkaufen wollen. Mit Schreiben v. 26.6.2018 forderte die Bekl. den Kl. unter Bezugnahme auf die vertraglich festgelegten Aufklärungsobliegenheiten auf, zu belegen, dass er 35.000 EUR besessen und diesen Betrag an den Fahrzeugverkäufer ausgezahlt habe. Sie wiederholte diese Aufforderung mit Schreiben v. 26.6.2018, in dem sie überdies die Übersendung aller Fahrzeugschlüssel erbat, damit die Fahrzeugdaten ausgelesen werden könnten.
2 Aus den Gründen:
"… 1. Dem Kl. steht kein Anspruch auf eine Kaskoentschädigung wegen der behaupteten Entwendung von Fahrzeugteilen zu. Die Bekl. kann sich auf bedingungsgemäße Leistungsfreiheit wegen arglistiger Obliegenheitsverletzung berufen."
a. Ob der Versicherungsfall der Entwendung von Fahrzeugteilen im Sinne der Ziff. A.2.2.2.a AKB eingetreten ist, braucht nicht entschieden zu werden.
Die Bekl. hebt verschiedene Umstände hervor, die ein vorgetäuschtes Diebstahlsgeschehen indizieren könnten. Dazu gehören Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit den Wertangaben des Kl. So behauptet dieser, er habe das Fahrzeug im Januar 2018 für 35.000 EUR erworben, andererseits ist im Einsatzbericht des ermittelnden Polizeibeamten M. v. 22.5.2018 von einem – ihm offensichtlich vom Kl. mitgeteilten – Ankaufswert von nur 22.500 EUR die Rede. Nur dieser geringere Wert würde wirtschaftlich nachvollziehbar erklären, wieso das Fahrzeug z.B. über Ebay für nur 24.500 EUR zum Weiterverkauf inseriert wurde bzw. wieso der Kl. – wie von ihm selbst in seiner Beantwortung der Frage 3 des Schreibens v. 6.6.2018 eingeräumt und mit psychischer Instabilität erklärt – gegenüber der Sachbearbeiterin der Bekl. N. am 22.5.2018 telefonisch mitteilte, er habe das Fahrzeug bei mobile.de für 26.000 EUR zum Verkauf angeboten. Hinzu kommt, dass die angeblich entwendeten Fahrzeugteile unstreitig sorgfältig und fachmännisch ausgebaut wurden, obgleich das Fahrzeug über eine Alarmanlage verfügte und zum Diebstahlszeitpunkt in einer engen Garage abgestellt gewesen sein soll. Schließlich wecken die Verweigerung von Auskünften über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und das Zurückhalten der Fahrzeugschlüssel (in Form zweier “Smart Keyless Entry'-Fernbedienungen), aus denen die Bekl. Daten auszulesen beabsichtigte, Zweifel an der prinzipiell für den VN sprechenden Redlichkeitsvermutung.
b. Der Senat kann offenlassen, inwieweit all diese Umstände die Feststellung des LG in Frage stellen, wonach der Kl. das äußere Bild eines Diebstahls bewiesen habe und es der Bekl. nicht gelungen sei, ihrerseits die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer vorgetäuschten Entwendung zu belegen (…). Die Vernehmung der von der Bekl. benannten Zeugen braucht nicht nachgeholt zu werden. Denn jedenfalls hätte das LG die Klage unabhängig vom Nachwei...