Dieselskandal
Erste Entscheidung zum "Daimler-Thermofenster"
Mit Beschl. v. 19.2.2021 (VI ZR 433/19) hat sich der u.a. für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des BGH erstmals zur Thematik des sog. "Thermofensters" geäußert. Danach ist die Entwicklung und der Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) für sich genommen nicht ausreichend, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu begründen. Das Verhalten der für den Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen sei nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einem solchen Thermofenster ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gelte auch dann, wenn das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren sein sollte und mit dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt wurde. Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit sei vielmehr nur dann gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Gleichwohl hat der BGH das angefochtene Urteil auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gem. § 544 Abs. 9 ZPO wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen des Klägers befasst, wonach die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht habe.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 16/2021 v. 26.1.2021
Deutscher Verkehrsgerichtstag
59. Verkehrsgerichtstag als Online-Kongress
Am 28.1. und 29.1.2021 fand der 59. Deutsche Verkehrsgerichtstag als Online-Kongress statt. Wegen der Corona-Pandemie konnten in diesem Jahr keine Arbeitskreise durchgeführt und keine Empfehlungen ausgesprochen werden. Stattdessen wurden Fachvorträge im Online-Format angeboten. Zur Eröffnungsveranstaltung, die live aus der Kaiserpfalz in Goslar übertragen wurde, wurde der Chefberater der EU-Kommission Paul Nemitz aus Brüssel zugeschaltet, der über das Thema "Künstliche Intelligenz in Justiz und Mobilität" referierte und dabei auch einen Blick in die Zukunft des autonomen Fahrens warf. Die Aufzeichnung der Eröffnungsveranstaltung kann auf der Website des Verkehrsgerichtstages aufgerufen werden. Der 60. Verkehrsgerichtstag soll vom 26.–28.1.2022 in Goslar stattfinden.
Quelle: Pressemitteilung v. 29.1.2021 – www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de
COVID-19-Pandemie
Außervollzugsetzung des Alkoholverbots im öffentlichen Raum und der 15-km-Regel in Bayern
Mit Beschl. v. 19.1.2021 (20 NE 21.76) hat der BayVGH das bayernweite Alkoholverbot im öffentlichen Raum (§ 24 Abs. 2 der 11. BayIfSMV) vorläufig außer Vollzug gesetzt. Nach § 28a IfSG seien Alkoholverbote nur an bestimmten öffentlichen Plätzen vorgesehen. Die Anordnung eines Alkoholverbots für den gesamten Freistaat Bayern überschreite daher die Verordnungsermächtigung des Bundesgesetzgebers. Mit weiterem Beschl. v. 26.1.2021 (20 NE 21.162) hat der BayVGH das Verbot touristischer Tagesausflüge für Bewohner von sog. Hotspots (§ 25 Abs. 1 S. 1 der 11. BayIfSMV) vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das Verbot verstoße aller Voraussicht nach gegen den Grundsatz der Normenklarheit. Für die Betroffenen sei der räumliche Geltungsbereich des Verbots touristischer Tagesausflüge über einen Umkreis von 15 km um die Wohnortgemeinde hinaus nicht hinreichend erkennbar. Die textliche Festlegung eines 15-km-Umkreises sei nicht deutlich und anschaulich genug. Die Entscheidungen gelten allgemein und ab sofort bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache.
Quelle: Pressemitteilungen des BayVGH v. 19.1.2021 und 26.1.2021
Prozesskostenhilfe
Prozesskostenhilfebekanntmachung 2021 (PKHB 2021)
Am 30.12.2020 ist die Bekanntmachung zu § 115 der Zivilprozessordnung (Prozesskostenhilfebekanntmachung 2021 – PKHB 2021) v. 28.12.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl I S. 3344). In der Bekanntmachung sind die gem. § 115 Abs. 1 ZPO vom Einkommen abzusetzenden Beträge angegeben. Aufgrund einer Änderung des § 115 ZPO durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 (siehe zfs 2021, 2) sinken für die überwiegende Zahl der Antragsteller die Freibeträge. So sinkt z.B. der Freibetrag für erwerbstätige Parteien gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO von bisher bundesweit 228 EUR auf 223 EUR. Erstmals werden in der Bekanntmachung besondere Absetzungsbeträge für Kommunen mit besonders hohen Lebenshaltungskosten festgesetzt. So beträgt der Absetzungsbetrag für erwerbstätige Parteien in den Landkreisen Fürstenfeldbruck, München und Starnberg 235 EUR und in der Landeshauptstadt München 234 EUR.
Autor: Karsten Funke
Karsten Funke, Richter am Landgericht, München
zfs 2/2021, S. 62